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Interviews

Bobby Liebling von Pentagram blickt in den Abgrund

Obwohl das Release eines neuen Albums bevorsteht, hängt das Leben des selbstmordgefährdeten 61-Jährigen an einem sehr dünnen Faden.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Jeff Lee

Im Rahmen unserer „Roadtrip to outta Space“-Reihe verlosen wir hier Karten für (fast) alle Konzerte in der Arena. Auch für Pentagram am 25.5.

Bobby Liebling geht es gerade nicht gut. Das mag dich jetzt vielleicht nicht großartig überraschen, wenn du dir jemals seine Band Pentagram angehört oder die preisgekrönte Dokumentation Last Days Here von 2011 angesehen hast. Diese zeigt Lieblings lebenslangen Kampf mit der Drogenabhängigkeit und begleitet ihn dabei, wie er mit über 50 Jahren Pentagram wieder zum Leben erweckte. Nebenbei wollte er aus dem Keller seiner Eltern heraus mit seiner Frau, die weniger als halb so alt ist wie er, und ihrem neugeborenen Sohn in ein neues Leben starten. Heute ist Liebling 61 und vielleicht oder vielleicht auch nicht wieder auf Drogen. Er und seine Frau haben sich getrennt und seine greisen Eltern wurden gerade ins Krankenhaus eingeliefert. „Ich versuche durchzuhalten“, erzählt er uns, „ich fühle mich in letzter Zeit nicht sonderlich gut und die Trennung von meiner Frau bringt mich um. Aber wir alle haben unsere Päckchen zu tragen. Ich bin einfach nur dankbar, noch aufzuwachen, denn im Grunde sollte ich eigentlich gar nicht mehr hier sein.“

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Weitaus positiver ist hingegen die Meldung, dass Pentagram zwei neue Veröffentlichungen in den Startlöchern haben. Die erste ist eine Doppel-DVD mit alten und neuen Live-Aufnahmen namens All Your Sins: Video Vault. Die zweite ist ein brandneues Studioalbum namens Curious Volume, dem Liebling und seine Bandkollegen—Gitarrist Victor Griffin, Bassist Greg Turley und der neue Drummer Pete Campbell—gerade den letzten Schliff geben.

Aufgrund der im ersten Abschnitt genannten Umstände hat Liebling in letzter Zeit nicht mit der Presse gesprochen. Sein treuer Manager Sean „Pellet“ Pelletier (du kennst ihn vielleicht aus Last Days Here) hat für Noisey eine exklusive Ausnahme gemacht, jedoch beinahe kurz vorher wieder abgesagt, als Lieblings Eltern ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Während unserer Unterhaltung ist er ist merklich abgelenkt, macht manchmal unlogische Folgerungen und seine Worte werden von Zeit zu Zeit unverständlich. Das nachfolgende Transkript wurde zu Gunsten der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit überarbeitet.

Noisey: Wie geht es deinen Eltern?
Bobby Liebling: Gerade geht es ihnen nicht besonders gut. Vor zwei Tagen wurden beide in separaten Krankenwagen in die Intensivstation eingeliefert. Jetzt sind beide im selben Krankenhaus. Ich bin deswegen ziemlich fertig. Mein Vater ist zusammengebrochen und meine Mutter hatte vergessen, ihre Tabletten zu nehmen. Es ist also alles ziemlich scheiße. Ich bin gerade in ihrem Haus und die Wände hier fangen an, mir immer näher zu kommen. Die Realität hat mich eiskalt erwischt. Mein Vater ist 95. Meine Mutter fast 84 und sie beide sind wirklich krank. Alles, was ich machen kann, ist, für sie zu beten. Wenn sie es nicht schaffen, kommen sie immerhin an einen besseren Ort.

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Es tut mir leid, das zu hören, Bobby.
Wir müssen alle gehen. Sobald du aus dem Loch gekrochen bist, fängst du an zu sterben. Die meisten Leute sehen es nicht so, aber so ist es nun mal. Wenn du jung bist, dann sind da all diese Dinge, die du sehen und machen willst—du bist hungrig. Aber dann kommst du in mein Alter—ich bin jetzt 61—und ich habe alles gemacht. Ich war überall und bin in jede nur erdenkliche Sache reingeraten, die du dir vorstellen kannst. Die Jahre gehen so schnell vorüber und das passiert uns allen. Das ist einfach Teil des Plans, den der Große da oben für uns hat. So sehe ich das zumindest.

Du hast „den Großen da oben“ erwähnt. Ich weiß, dass sich dein Freund und langjähriger Pentagram-Gitarrist Victor Griffin in den letzten Jahren der Religion zugewandt hat. Wie hat dich das beeinflusst?
Es hat mich total beeinflusst. Ich bin jetzt auf dem gleichen Weg und wir sind als Menschen mehr gewachsen als jemals zuvor, weil wir uns an Gott gewandt haben. Das gibt uns mehr Gelassenheit. Also ja, ich bin wirklich spirituell. Ich glaube nicht an die Kirche, aber ich rede jeden Tag mindestens ein paar Stunden laut mit Gott. Wenn ich versuche, das zu analysieren, dann wird mir klar, dass man nicht versuchen sollte, es zu analysieren. Das ist der Punkt. Du musst einfach glauben und das tue ich. Es hat mich so weit gebracht. Ich bin ein Rockstar und ich hätte nie gedacht, dass ich dem überhaupt mal nahe kommen würde. Ich bin nicht perfekt, aber ich mache die Dinge immer besser. Als ich mich in dieselbe Richtung bewegt habe wie Victor—ich würde es nicht „Wiedergeburt“ nennen—trat mein spirituelles Bewusstsein zutage. Es bekam Vorrang vor unserem heidnisch-rituellen Leben.

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Das bedeutet, dass Pentagram bestimmte Dinge nicht mehr tun können.
Ja. Kein Baphomet mehr, keine umgedrehten Kreuze. Das steht jetzt in unseren Ridern, in unseren Verträgen. Die Leute haben es vielleicht nicht verstanden, als sie „Review Your Choices“ oder „Be Forwarned“ gehört haben. Diese Songs sagen dir, dass es zwei Wege gibt, die du gehen kannst, aber ich kann dir nicht sagen, welchen du gehen sollst. Das musst du selbst herausfinden und das ist manchmal schwierig. Ich habe gestern Abend mit meiner Frau gesprochen und es besteht eine Chance, dass wir es noch einmal miteinander versuchen. Ich bete dafür, weil ich sie wirklich liebe. Sie hat eine Menge schlechter Dinge getan, eine Menge falscher Dinge, aber das haben wir alle. Gott wird dir vergeben, wenn du ihm die Ehre erweist und aufhörst, Mist zu bauen. Wenn ich gehe, dann weiß ich wohin. Und ich habe keine Angst. Ich weiß, dass ich an einem guten Ort landen und sicher sein werde. Irgendwo gibt es Perfektion und dort werde ich enden, weil ich daran glaube.

Du hast eine Menge durchgemacht, seit du Pentagram 1971 gegründet hast—missglückte Plattenverträge, Drogenabhängigkeit und beinahe drei Dutzend ehemalige Bandmitglieder. Wenn du zurückschaust, überwiegen dann die guten Zeiten gegenüber den schlechten?
Die guten Zeiten überwiegen, wenn ich diese Bandsache funktional mache. Aber so ist es nicht immer. Heutzutage bin ich ein totaler Einsiedler. Ich bin extrem anti-sozial. Ich gehe nicht aus meiner Wohnung. Ich treffe ein oder zwei Leute pro Woche, wenn überhaupt. Ich bleibe zuhause und schaue Filme bei Netflix. Ich gehe nicht aus. Ich habe Angst, im Dunkeln vor die Tür zu gehen.

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Warum?
Es ist gefährlich da draußen, Mann. Es ist eine verkommene Welt. Ich bin nicht mit Waffen groß geworden. Ernsthaft, scheiß auf Waffen! Wir haben immer mit unseren Händen gekämpft—vielleicht hatte mal jemand einen Schlagring. Aber jetzt kannst du eine verirrte Kugel von einem Drive-By-Shooting abkriegen. Es ist echt. Die Leute denken: „Ach, ich doch nicht.“ Bullshit! Du musst aufpassen, Mann. Du musst versuchen, richtig zu leben. Es ist einfach viel einfacher, alles zu versauen. Viel einfacher.

Was kannst du uns über das neue Album erzählen, an dem ihr arbeitet?
Wir haben mit dieser Platte wirklich etwas riskiert. Sie heißt Curious Volume, was ziemlich selbsterklärend ist, weil dieses Album kein typisches Pentagram-Album ist. Wir haben ungefähr 13 Songs und ich würde sagen, ein halbes Dutzend davon ist das traditionelle Zeug, das die Diehard-Fans hören wollen. Aber wir haben auch ein paar Punksongs und auch eine Ballade. Wir haben etwas riskiert, um zu sehen, ob wir das machen können oder nicht. Es ist wirklich eine Sache, die entweder klappt oder nicht, aber warum sollten wir nicht eine neue Seite an uns erforschen?

Wie seid ihr auf den Albumtitel gekommen?
Na ja, eigentlich sollte auf dem Album viel mehr älteres Zeug sein. Es sind immer noch ein paar wirklich alte Sachen drauf—einen Song habe ich 1965 geschrieben und einen anderen ’69—die Ballade. Ich wollte es also Over Many A Quaint and Curious Volume of Forgotten Lore nennen [eine Zeile aus dem Gedicht „The Raven“ von Edgar Allan Poe], weil das etwas Altes und etwas Neues hat. Wir haben es aber auf Curious Volume reduziert, weil wir angefangen haben, darüber nachzudenken, warum wir so besessen davon sind, dieses düstere Zeug zu spielen und so tief in den Abgrund zu blicken. Es macht einfach süchtig wie eine Droge. Es wird ein Ventil für Depressionen. Das ist im Grunde unsere Bestimmung.

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Der Pentagram-Bassist Greg Turley hat vor Kurzem gegenüber Decibel gesagt, dass die Hälfte der Songs auf der neuen Platte aus deinem berüchtigten, nicht enden wollenden Arsenal aus den späten 60ern und 70ern stammt und die andere Hälfte aus neuen Songs besteht.
Jedes einzelne Pentagram-Album ist so—absolut jedes. Das Zeug, was ich geschrieben habe, ist alles von ’68 bis ’73. Davon habe ich noch reichlich. Aber von den 13 Songs auf dem neuen Album habe ich nur bei fünf beim Songwriting mitgewirkt und nur zwei alleine geschrieben. Bis zu diesem Album war mein Lieblingsalbum von Pentagram Sub-Basement [von 2001]. Diese Platte ist eine der verrücktesten, kränksten, verdorbensten, gottverdammt verstörendsten Sachen, die ich je in meinem Leben gehört habe. Es ist verdammt schwer, Sub-Basement zu hören und nicht das Gefühl zu bekommen, als wäre dein Kopf zu Matsch geworden. Es greift dich an. Es ist imposant. Es ist jenseits von unangenehm. Aber ich liebe es, weil hunderte—vielleicht tausende—Kids auf der ganzen Welt mir gesagt haben: „Ich wollte mich umbringen, dann habe ich Sub-Basement gehört und aus irgendeinem Grund habe ich mich nicht mehr so alleine gefühlt.“ Und das tut meinem Herzen gut. Sie haben dem Ganzen kein Ende bereitet, weil ihnen klar geworden ist, dass sie nicht die einzigen mit Problemen sind. Wir alle sind irgendwann im Leben Teil des Clubs der Unzufriedenen, nicht wahr? Aber nach Sub-Basement ist diese neue Platte das düsterste Pentagram-Album. Es ist wirklich unheimlich.

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Warst du selber in deinen dunkelsten Stunden jemals dem Selbstmord nahe?
Ich habe es mehr als einmal versucht. Es ist nicht das Richtige. Du musst versuchen, weiterzumachen. Und ich selber hänge momentan am seidenen Faden—da bin ich ehrlich. Ich hänge an einem wirklich sehr, sehr dünnen Faden. Es macht mich gerade so fertig, weil ich älter und weiser bin und dem nicht mehr so leicht entfliehen kann. Aber Musik zu machen, gibt mir das Gefühl, etwas zu erreichen. Das habe ich vorher nicht bekommen, als ich jünger war. Es ging immer um Bewusstseinsveränderung. Aber jetzt ist diese Veränderung unangenehm für mich und ich will eine Art Komfortzone.

Was hat sich sonst noch geändert?
Die Band ist wirklich im Einklang mit der höheren Macht. Wir sind viel mehr zu einer Familie geworden, als jemals zuvor, weil wir unsere Grenzen kennen. Ich kann nicht mehr über die ganze Bühne springen oder drei Songs am Stück spielen, weil mir die Luft ausgeht. Victor muss auf der Bühne eine Brille tragen, weil er sonst die Bünde nicht sehen kann. Diese Dinge sind die Realität, Mann. Wir werden nicht für immer hier sein, aber wir können das Beste aus dem machen, was wir haben und einfach jeden Tag ausnutzen. Es ist schwer, aber du musst es versuchen. Denn wir sind noch hier.

Ich hoffe, das bleibt auch noch eine Weile so.
Ich auch. 2013 sind glaube ich 126 heavy Rock’n’Roller gestorben. Das ist eine immense Zahl, Mann. Und alle, außer zwei Leuten, waren zwischen 55 und 65. Wir leben also nicht so lange—wir Leute, die „das Leben“ leben. Wir leben schnell. Wir alle kennen das alte Sprichwort und es trifft zu. Ich versuche einfach so lange dabei zu bleiben, wie möglich. Aber du kannst dich nicht daran festklammern. [Der Rolling Stones-Gründer] Brian Jones war mein Idol und er ist vor allen anderen gestorben. Er hat alle möglichen Drogen genommen und hatte das ganze Haus voller nackter Mädchen und das ist genau das, was ich auch gemacht habe. Ich habe die ganzen Drogen genommen und hatte ein Haus voller nackter Blondinen. Aber jetzt bin ich 61. Als die ganzen Leute dann 2013 gestorben sind, dachte ich mir nur: „Oh Boy.“ Weil ich ein Wrack bin—seien wir ehrlich. Ich bin ein ungeheures Wrack. Ein riesiges, professionelles Wrack. Aber was beängstigend ist, ist, dass sie alle von uns gegangen sind und ich noch hier bin. Ich weiß also, dass ich aus einem bestimmten Grund noch hier bin.

J. Bennett spielt Gitarre bei Ides Of Gemini. Er ist nicht bei Twitter.

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