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Die Arena Wien & Der Blutharsch—Eine Operation am offenen Herzen

Anlässlich des Arena-Konzerts von Der Blutharsch und den Reaktionen darauf haben wir den Diskurs gesucht.

Alle Fotos: Christopher Glanzl

Nach zahlreichen Annäherungsversuchen, zu welchen auch ein geplantes und dann doch kurzfristig abgesagtes Konzert im Jahr 2013 zählt, werden Der Blutharsch and the Infinite Church of the Leading Hand kommenden Samstag nun tatsächlich in der Arena Wien spielen. Aufgrund der durchaus kontroversiellen Vergangenheit Albins Musikprojekts (damals noch unter dem simpleren Namen „Der Blutharsch“) gab es auch diesmal ein paar Stimmen von außen und auch Arena-intern, die sich gegen das Konzert ausgesprochen haben. Höchste Zeit also, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und Tacheles zu reden. Wir haben uns mit Albin Julius, Rainer Krispel—dem aktuellen Obmann der Arena —und Sebastian, dem Bar-Chef, der dem Thema gegenüber am kritischsten war, getroffen und einen Diskurs geführt.

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Die Vorwürfe gegen Der Blutharsch sind keineswegs neu. Albin selbst bezeichnete den Sound seiner Band damals als „Kinky March Music“ und spielte mit kontroverser politischer Symbolik und Ästhetik—ein gängiges und durchaus zu hinterfragendes Stilmittel des musikalischen Überbegriffs „Neofolk“. Der Blutharsch polarsierte und wurde schnell von diversen Magazinen oder einzelnen Stimmen der Antifa zur „Naziband“ deklariert. Der Versuch von Albin, dagegen gerichtlich vorzugehen, wurde mit dem Argument, dass es sich um ein „presserechtlich geschütztes Werturteil auf Grund der Verwendung nationalsozialistischer Symbole durch die Band“ handelte, nicht durchgelassen.

2010 wurde das Projekt dann beendet und unter dem Namen Der Blutharsch and the Infinite Church of the Leading Hand neu definiert. Die kontroverse Symbolik wurde adaptiert, der Musikstil änderte sich in Richtung Psychedelic (Kraut-)Rock. Trotz dieser Wandlung klebt die Vergangenheit noch immer an Albin und seiner Infinite Church. Auch im Vorfeld des am Samstag in der Arena stattfindenden Konzerts wurden erneut Stimmen laut, die sich dagegen ausprachen. Wie kann ein linker Veranstaltungsort wie die Arena zulassen, dass dort eine Band auftritt, die mit rechtsextremer Symbolik spielt? Die eigentliche Antwort ist recht simpel: Die Arena hat erkannt, dass man einen Diskurs finden muss und dass auch Vorurteile und das Aufdrücken von Stempeln kritisch hinterfragt werden müssen. Schon 2013 war—wie eingangs erwähnt—ein Konzert vom Blutharsch in der Arena angesetzt, das aber nicht an Albins Musikprojekt, sondern an deren damaligen Support-Act Deutsch-Nepal scheiterte.

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Bei dem Thema war—beziehungsweise ist—sich die Arena auch intern uneinig. Während es für die einen kein Problem mehr darstellt, hatte die andere Partei noch offene Fragen und für ihre Seite genug Argumente, um gegen einen Auftritt des Blutharschs zu stimmen. Wir haben nachgefragt.

Für Albin, so erklärt er im Gespräch, war die ironische Ebene schon immer die Beste. „Ich denke, mit Ironie kann man viel erreichen, wenn man mal die Ernsthaftigkeit weglässt.“ Diese Einstellung konnte man zum Beispiel auch erkennen, als er auf einen Newsletter der Arena, in dem er nicht so gut wegkam, mit eigens angefertigtem Blutharsch-Klopapier, mit dem man "braune Scheiße wegwischen" konnte, reagierte. So weit sich Albin erinnert, wurde das damals auch mit Humor aufgefasst. Rainer war zu dem Zeitpunkt noch nicht Obmann, dennoch meint er „Ich glaube natürlich, dass Antifaschismus eine wichtige Haltung ist, aber gerade der Antifaschismus gehört wie der Faschismus auch hinterfragt, there you go. Man muss auch spielerische und ironische Ebenen zulassen.“ Hier sind wir dann in die Diskussion eingestiegen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Ben, der mit diesem Thema sehr gut vertraut ist, haben wir den gegenüberstehenden Parteien wichtige, offene Fragen gestellt.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Albin

Noisey: Ironie darf und soll sein?
Albin: Ich habe mit Ironie schon viel erreicht. Mit Ironie kann man die Fronten aufweichen und wenn die mal aufgeweicht sind, kommt man besser zusammen. Ich denke, das ist immer das Beste.

Die Sache damals mit Deutsch Nepal war wahrscheinlich auch so euer erster Kontakt, um Angesicht zu Angesicht auszusprechen, was passiert ist, korrekt?
Albin: Ja, das war unser erster Kontakt.

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Rainer, hast du das damals auch mitbekommen?
Rainer: Ich bin mit der Thematik das erste Mal in Berührung gekommen, als das Konzert wegen der Vorband Deutsch Nepal abgesagt wurde. Wir haben uns da wochenlang damit auseinandergesetzt, tonnenweise Papier ausgedruckt und tausende verschiedene Sachen gelesen.

Auch Arena-intern gibt es jetzt Uneinigkeiten zum Thema Blutharsch. Sebastian, du bist dem Ganzen ja eher kritisch gegenüber eingestellt?
Sebastian: Ja. Ich vertrete mit der Bar sozusagen die Front, an der es am meisten Bedenken gibt. Das liegt auch daran, dass wir eine der aktivsten Gruppen auf dem Gelände sind. Wir hätten uns auch dieses Mal dagegen ausgesprochen.

Wir ist in diesem Fall die komplette Bar-Crew?
Sebastian: Ja. Also es geht auch so weit, dass es nicht so einfach sein wird, jemanden zu finden, der an dem Tag arbeiten wird. Nach derzeitgem Wissensstand—deshalb begrüße ich dieses Treffen sehr.
Rainer: Eine Operation am offenen Herzen sozusagen.

Ihr habt euch also geschlossen als Barteam dagegen entschieden, dass ihr hier supporten wollt und müsst aber natürlich trotzdem Alternativen finden, dass es zustande kommt—oder gebt ihr die Verantwortung ganz ab?
Rainer: Das ist ein bisschen so wie das Parlament in Deutschland—historisch gesehen. Das ist eine sehr fundamentale Frage und etwas, bei dem die Arena etwas lernt, weil das hier nicht coram publico diskutiert wird, sondern intern. Der Sebi und ich schätzen das auch absolut wert, dass diese Front nicht ins Streitende geht, sondern miteinander gesprochen wird.
Albin: Ein konstruktiver Streit ist das Beste, was es gibt. So sehe ich das auch.
Rainer: Wir haben noch nie so viele politische Reaktionen bekommen. Das ist ja die eigentliche Geschichte: Wenn politisches Veranstalten nur mehr das Nicht-machen von Dingen wäre, dann wäre unsere Kultur wirklich verloren. Wo passiert dann noch Reibung?

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Ärger ist die Frage, worum es geht. Was mache ich sichtbar? Dass die Bar in der Arena das anders sieht als ich, ist legitim und wichtig. Es geht um Betrachtungsweisen. Was ist Politik und was ist symbolische Politik? Ich möchte der Arena diesen Anwurf eines Theatermachers nahelegen: Die Prinzessin hat sich nicht in den Prinzen verliebt, sondern der Prinz in den anderen Prinzen; und dann wurde eine Presseaussendung ausgeschickt: „Jetzt werden alle Kinder schwul“. Darauf hat der Theatermacher gesagt: „Ja eh, super wenn das so wäre.“ Wir müssen schon über die Definitionsmacht von Musik und Kunst überhaupt reden. Es ist ja nicht so, dass Musik eindeutig und einstimmig Ideologie diktiert, sondern sie liefert Denkanstöße, Räume und Emotionen.

Was sind deine Argumente, Sebastian? Warum sprichst du dich gegen das Konzert aus?
Sebastian: Was uns nach wie vor sauer aufstößt, ist die niemals stattgefundene Abgrenzung zu Dingen in deiner Vergangenheit, Albin. Ich weiß, es ist schon eine alte Sache, aber beim Recherchieren stoße ich auf die Geschichte mit der ZetaZeroAlfa und der CasaPound. Für mich ist es ganz klar, dass es hier um Neofaschisten geht.
Albin: Das verstehe ich, ja.
Sebastian: Und dass du auch damals gesagt hast, das sind so hochintelligente Leute und das ist politisch schon klar—wenn ich einem Neofaschisten per se Blödheit unterstelle, bin ich blöd.

Was sagst du dazu Albin? Das ist ja schon ein weiter Griff zurück.
Albin: Ich möchte das nicht beschönigen, aber ich habe die Leute gekannt, bevor die CasaPound-Sache groß geworden ist. Ich habe diese Leute über die Musik kennengelernt und für mich war das immer eine musikalische Sache. Auch, wenn die jetzt Faschisten sind. Ich habe eher das Verbindende gesucht, als das Trennende. Politik war bei uns kein Thema. Ich weiß auch, was aus den Leuten geworden ist und was sie machen.
Sebastian: Das ist für mich genau der Punkt, ja. Mit denen eine Split aufzunehmen—die wird auch noch immer verkauft, so wie ich das sehe, da fehlt für mich die Trennung.
Albin: Bei uns gibt es die seit kurz nach dem Release im Jahre 2003 nicht mehr, wird auch nicht mehr aufgelegt und es ist für mich auch erledigt. Ich habe jetzt keine Quellen, aber ich habe mich auch öfters davon distanziert und habe auch keinen Kontakt mehr. Für mich ist das über zehn Jahre her. Ich rede nicht mit jedem über Politik. So, wie ich auch Silver Mt. Zion gut finde, obwohl die eine ganz klare politische Botschaft haben, die ich für mich ausklammere. Ich tue mir schwer, wenn man Musik rein als Politik versteht. Wie du gesagt hast, Musik hat Gefühle, Emotionen, sie lädt zum Nachdenken ein, aber ich denke, wenn Musik für Politik missbraucht wird, dann interessiert es mich nicht wirklich.

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Rainer?
Rainer: „Mixing pop and politics, you ask me what the use is, you offer me embarrassment and the usual excuses“, um es mit Billy Bragg zu sagen. Oder Johnny Cash: „The one on the left is on the right and the one on the right is on the left.“ Musik hat vielleicht per se ihre eigene Politik, aber das ist natürlich eine sehr komplexe Diskussion.
Sebastian: Wenn man etwas wie Alfa heranzieht, ist es sehr offensichtlich, dass hier nicht die Musik im Vordergrund steht, sondern es sich um eine neofaschistische Bewegung handelt. Ich habe mich auch wirklich in dieses CasaPound-Zeug reingelesen. Das ist echt heftig, das ist dann auch kein Spaß mehr.
Rainer: Da müsste man dann wieder extrem ins Detail gehen. Überprüfe ich bei Konzerten wirklich die ganze Geschichte bis ins kleinste Detail eines Performers? Dann müsste ich auch diskutieren, ob nicht auch die Struktur, in der diese Band und Musik angeboten wird, faschistisch ist. Als Label kannst du beispielsweise die Kritik bekommen, dass du dem ein Forum bietest. Das heißt, ich bin für die Ideen, die ich präsentiere, verantwortlich. Das Gegenteil dazu kann ja nur sein, dass ich in die Verantwortung gehe—du und ich auf verschiedene Arten und Weisen und Noisey auf ihre Art. Wie geht man in diese Verantwortung? Das diskutieren wir.

Sebastian: Ja, es ist schwierig. Ich setze mich jetzt hier stellvertretend als Sammelbecken der ganzen Kritiker her. Zum Teil bin ich auch privat mit aktiven AntifaschistInnen befreundet, die mich darauf ansprechen. Darum habe ich mir auch gedacht, ich setze mich mit dir an den Tisch und möchte das aus deiner Sicht hören. Weil es schon mein Verständnis von der Arena ist, dass wir dem Faschismus keine Bühne bieten. Von dem her finde ich es auch stark, dass wir es machen. Sollten wider erwarten solche Leute auch kommen, ist die Aussage „es findet hier statt, wo so etwas auch überprüft wird“ ein wichtiges Statement.
Rainer: Da sind wir ja wieder bei etwas Massivem: der Security-Gesellschaft. Wir hatten auch vor kurzem eine Veranstaltung, bei der das auch passiert ist. Da waren zwei Leute hier, die offensichtlich Identitäre waren und sie sind gegangen worden. Das wäre wo anders vielleicht auch gar nicht passiert.

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Ah, du sprichst vom King Dude Konzert.
Albin: Aber auch bei King Dude, da waren 130 Leute und dann zwei Identitäre, die eh nicht reingekommen sind.
Sebastian: Da sind wir wieder bei der Symbolik, die auch du früher verwendet hast, um zu provozieren. Ich persönlich würde halt sagen, das geht nicht, da gibt es zu viele Bands, die das machen …
Albin: Dazu gibt es einen tollen Aufsatz vom Vorstand der jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, in dem er zum Beispiel das Verwenden von Nazisymbolen im frühen britischen Punk als jüdische Rache definierte. Ich nehme ihnen ihre Symbolik weg und das finde ich einen interessanten Ansatz.
Rainer: Ich komme aus Linz, das ist eine überschaubare Stadt. Die Skinheads und die Punks haben sich dort gekannt. Es wollte sich keiner töten und es wollte sich keiner die Pappen einhauen. Man beginnt darüber nachzudenken, warum ist diese gegenseitige Anziehung da und warum findet so etwas wie Dialog noch statt. Ich bin nicht sicher, dass ich nach dem Konzert vom Blutharsch alles super finde und keine Bedenken habe. Ich schaue mir das aber an und gebe ihm die Chance.

Albin, welchen Grund haben Identitäre und Altnazis im Jahr 2016 auf ein Blutharsch Konzert zu gehen?
Albin: Keinen. Ganz ehrlich. Es ist auch nicht das erste Mal, dass wir bewusst das Alte abstreifen. Ich kann natürlich nicht in deren Köpfe schauen, aber auf der letzten Tour haben wir im 007 gespielt, einem sehr alten antifaschistischen Club in Prag. Da ist eine Person gekommen mit einem Thor Steinar Kleidungsstück. Da ist die Chefin gekommen und gefragt „Was sollen wir machen?“. Sie wollten ihn nicht reinlassen, er wollte das Konzert aber unbedingt sehen. Sie haben sich arrangiert, indem er die Hose umgekehrt angezogen hat, damit man das Logo nicht sieht. Er ist eineinhalb Stunden mit umgekehrter Hose in diesem Club gestanden und hat sich das Konzert angesehen, mit den Säcken nach draußen. Das finde ich schon eine starke Aktion. Dadurch hat man ihm diese Proudness genommen. Hätte er es nicht gemacht, wäre er nicht reingekommen.

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Mit Ausnahme von diesem Vorkommnis—gab es von den Veranstaltern im Vorhinein Bedenken?
Albin: Gar nicht. Wir haben auf der Tour schon öfter in linken Clubs gespielt und werden dort auch wieder spielen. Das einzige Problem, das existiert ist, sobald wir spielen kommt immer ein Mail eines anonymen Verfassers mit dieser ganzen Vergangenheit. Ich verstehe auch, wenn ein Club dann sagt „damit möchten wir nichts zu tun haben“, weil der Club auch oft das schwächste Glied in der Kette ist. Kommerzielle Clubs schauen auch oft auf schlechte Presse und haben dann auch Schiss.

Rainer, habt ihr dieses Mail auch bekommen?
Rainer: Das ist auch ein Anknüpfungspunkt für mich. Diese Mail löst in mir schon mal einen Ablehnungsreflex aus. Ich würde das auch als Linker nicht wollen, wenn mich jemand anonym mit Linklisten diskreditiert. Wenn man da alle nachprüfen will, ist man eine Woche beschäftigt. Wir haben dieses Mail auch bekommen und ich habe auch die Jugendinfo angerufen, um nachzufragen, wie sie das sehen. Die Jugendinfo hat eine ganz klare Leitlinie: Es darf keine Diskriminierung geben und sie sind zu einer ähnlichen Entscheidung gekommen wie ich.

Was sagst du zu dieser Mail, Albin?
Albin: Ich kenne die Hintergründe—es ist eine rein private Sache.

Also du sagst, dass es ist eine private Fehde ist, die da zum Anlass genommen wird, dich zu denunzieren?
Albin: Genau so ist es. Ich habe einen klaren Verdacht, kann aber in diesem Interview nicht näher darauf eingehen.
Rainer: Ich habe probiert, einen Dialog aufzunehmen. Ich will wissen, wer mein Gegenüber ist. Ich bin sichtbar, also habe ich auch die Erwartung, dass mein Gegenüber sichtbar ist. Es ist ja wichtig, dass wir diese Diskussion führen und über diese Symbole reden. Auch von der Seite der autonomen Antifa, deren Arbeit ich sehr schätze, gab es viele differenzierte Statements. Wenn ich aber ausschließe, dass sich Künstler oder Künstlergruppen weiterentwickeln, kann ich ja nur verlieren.

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Was kannst du uns zu dieser einstweiligen Verfügung, die 2007 nicht zustande kam, sagen?
Albin: Ursprünglich war es ein Artikel in der deutschen Jungle World, die uns als Naziband bezeichnet haben und da wollte ich eine einstweilige Verfügung bewirken, die abgelehnt wurde, weil die Bestimmungen zur freien Meinungsäusserung in Deutschland wesentlich lockerer sind. Das Magazin hat den Artikel dann aber von alleine runtergenommen. Ich habe das früher immer etwas schleifen lassen, mir war es egal, was Leute sagen. Ich habe zum Beispiel einmal in einem Interview gesagt, dass ich den Haider immer amüsant fand. Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn gut gefunden habe. Dann ist er gestorben und es hat keiner mehr schlecht über ihn geredet. Das hat sich dann über CopyPaste so entwickelt, dass ich ein Fan bin und am Schluss hat es geheißen, ich bin ein persönlicher Freund von ihm. Ich habe das damals lustig gefunden, vielleicht hätte ich mich da schon früher wehren sollen.
Rainer: Chomsky hat das ja einmal vorexerziert. Chomsky hat das Recht eines französischen Intellektuellen verteidigt, die KZs zu leugnen. In der Folge wurde sofort der Chomsky zum KZ-Leugner. Er hat jedes Mal gesagt „Nein, das ist komplett falsch, natürlich gab es Konzentrationslager“, aber es wurde ihm immer wieder unterstellt. Es hat jedoch gezeigt, wie diese öffentliche Diskussion immer verzerrter und immer weiter gespinnt wird und es immer mehr stiller Post gleicht.

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Was denkst du dir, wenn dich die Antifa wie in dem Arena-Posting immer noch als Naziband darstellt?
Albin: Puh, ja, ich denke, da haben sie etwas verpasst oder verschlafen. Es ist ja nicht die Antifa an sich. Ich kenne ja viele von der Antifa, die waren auch beim King Dude Konzert. Das sind meine Freunde.
Sebastian: Da bin ich auch überfragt. Meine wirklich organisiert aktiven linken Zeiten sind auch schon länger her. Mir geht es wirklich ganz explizit um ZetaZeroAlpha und CasaPound.
Albin: Mich hat das selbst gewundert, welche Bewegung das wurde.

Ich möchte das nochmal festhalten: Du hast die damals auf musikalischem Wege kennengelernt, da hat sich diese Kooperation ergeben. Erst später wurde daraus diese faschistische Gruppierung, das Release von damals gibt es heute nicht mehr zu kaufen und wird auch nicht mehr von dir vertrieben.
Sebastian: Seitdem gibt es keine aktiven Kooperationen mehr, du gehst auch nicht nach Italien und hast auch keinen Kontakt mehr zu ihnen?
Albin: Nein, schon ewig nicht mehr.

Ist das für dich eine zufriedenstellende Antwort, Sebastian? Ändert das deine Sichtweise?
Sebastian: Sichtweise… Es ist für mich auf jeden Fall eine ganz zentrale Frage gewesen. Wenn du jetzt sagen würdest „Ist mir egal, das sind meine Freunde, koste es was es wolle“ wäre das ein Problem für mich. Ich sehe das immer so: Kunst darf immer provozieren, aber nicht jede Provokation ist Kunst.
Albin: Das stimmt wohl, hier gehen wir auf die Operetten los. Für mich ist es oft eine moralische Diskussion und dazu muss ich sagen „Fuck Moral“, weil wer macht die Grenze? Ich sage es gibt eine Linie, die rote Linie ist das Gesetz, wie nahe man drankommt, entscheidet jeder für sich.

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Sebastian, stellst du dich nach wie vor geschlossen gegen den Gig, oder wirst du nochmal mit deinen Leuten reden?
Sebastian: Natürlich spreche ich nochmal intern mit meinen Menschen, darum habe ich auch das Gespräch gesucht.
Rainer: Der Sebi hat schon immer dieses Gespräch gesucht auch ohne Druck von außen.
Albin: Durchs reden kommt man zusammen.

Zurück zu dieser anonymen Mail, die dich verfolgt. Greifst du dieser Mail auch vor?
Albin: Ja, ich mach das immer. Ich schicke sie an die Veranstaler und Bands und warne sie schon mal vor. Das ist in meiner Vergangenheit, aber es hat mich dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. Wo ich jetzt bin, bin ich eigentlich ganz zufrieden. Würde ich es nochmal machen? Ich könnte es nicht einmal mehr beantworten.

Wie gehst du als Musiker damit um, wenn Fans die Band missverstehen?
Albin: Das passiert mir eigentlich relativ selten. Das war früher, als wir in Italien aufgetreten sind vielleicht etwas anderes, aber wir haben da nie politische Diskurse geführt.

Albin, hattest du früher nicht auch mal dezidiertes Arena Verbot? So auf „Der Blutharsch-Typ darf da unter keinen Umständen hinein“?
Albin: Nein, es war nie ein Arenaverbot. Es war damals, vor ca. 15 Jahren bei den Arena Bierwochen, dass mich ein DJ rausgeschmissen hat, weil er mich nicht mochte. Ich muss auch sagen, ich bin damals, zur Hochzeit meines provokanten Auftretens, richtig mit Seitenscheitel und Kampfhose und schwarzem Hemd gekommen, aber das war damals auch nie ein Problem. Aber ich würde heute nicht mehr so herumlaufen. Und rückblickend bin ich eh erstaunt, dass ich nie eine auf die Goschn bekommen habe.

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Was glaubt ihr, wo Österreich in Sachen Toleranz steht?
Rainer: Dazu muss man glaube ich schon sagen, dass es einen EU-Gesetzesentwurf gibt, der Toleranz sozusagen festschreibt. Das ist pures George Orwell-Thinking. Toleranz ist ja so ein Gummiparagraph, man muss Žižek lesen. Das eröffnet nur ein Aufweichen sämtlicher Diskurse. Sobald ich inhaltliche Kritik äußere, bin ich ja schon intolerant. Die Frage ist: Man muss sich immer ansehen, was passiert realpolitisch, was passiert Medien- und Geistespolitisch. Ich glaube dahingehend ist Österreich ein extrem intolerantes Land.

Albin, bist du da Rainers Meinung?
Albin: Prinzipiell ja. In manchen Sachen sind wir schon weiter als andere Länder, wir haben einen Life-Ball im Rathaus, das darf man nicht unterschätzen—schau mal nach Polen, was dort passiert. Ich war mal in Polen auf einem Festival, zufällig war genau dann Nationalfeiertag. Zehntausend Faschisten, die demonstrieren—da wird einem anders. Ungarn, das Burgenland. Ich glaube bei uns ist es teilweise eine gemachte Toleranz. Wie tolerant die Leute selber sind, kann ich jetzt nicht sagen. In meinem Umfeld habe ich sehr tolerante Leute, da habe ich vielleicht Glück.

Bist du der EU gegenüber nach wie vor kritisch eingestellt?
Albin: Ich finde das Projekt als Friedensprojekt schon gut, aber es ist einfach nur ein Wirtschaftsprojekt und es wird über die Leute drübergefahren. Es ist eine reine wirtschaftliche Interessensvertretung. Die Idee finde ich gut, aber die Umsetzung nicht. Gut, Kommunismus hatte auch ein paar gute Ideen, aber die Umsetzung hat nicht wirklich funktioniert.
Rainer: Es war ja eine linke Position, gegen die EU zu sein, das vergisst man auch gerne. Die Sehnsucht nach einem Europa als Friedensprojekt ist ja verständlich.

Albin, zum Abschluss noch ein paar angenehmere Fragen, haha. Ihr habt gerade diese Wolfennest-Sessions releast, was steht noch am Programm?
Albin: Genau, ja. Da war auch der Gitarrist von Dog eat Dog dabei und der Bassist von Arkangel, dieser Hardcoreband. Weiters ist eine 10" Split mit White Hills geplant. Mit Josef Dvorak und Martin Schirenc (Zombie Inc., Church of Pungent Stench, ehemals Pungent Stench, Anm. d. Red) werden wir auch kollaborieren. Neues Album ist auch in Planung. Es gibt eh dauernd irgendwas zu tun.

Wunderbar. Es ist jedenfalls sehr spannend, dass die Arena das zulässt und ihr nach wie vor den Diskurs sucht. Es ist gut, dass mal alle guter Dinge sind.
Albin: Ob sie guter Dinge sind, weiß ich nicht.
Rainer: Die Gesamtlage betrübt mich, aber der Blutharsch hat damit nichts zu tun. Das ist eher eine gesellschaftspolitische Sache.

Für das Konzert am Samstag verlosen wir hier noch Tickets.

Isabella auf Twitter: @isaykah

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