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Barrierefrei Ausgehen ist in Wien oft nicht möglich

Ein Rollstuhlfahrer erzählt von den alltäglichen Problemen, auf die er beim Fortgehen in Wien trifft.

Foto von Andreas Pöschek

Denke ich an meine Lieblingsbar, gibt es dort zwar die besten Drinks, aber auch einige Stiegen. Und überlege ich, wie mein Lieblingsclub aussieht, bemerke ich, dass es dort kein barrierefreies WC gibt. Ich könnte meine zwei Lieblingslokale in Wien also keiner Person zeigen, die im Rollstuhl sitzt. Noch trauriger finde ich allerdings, dass ich sonst einfach nicht darüber nachdenke. Genauso wenig tun es vermutlich viele Clubbetreiber, Barbetreiber und die meisten unter euch. Ich würde niemals in ein Lokal gehen, das Menschen aufgrund von Äußerlichkeiten wie Geschlecht, Hautfarbe oder Kleidung ausschließt. Aber ich gehe täglich in Lokale, die Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung ausschließen. Das ist ein ziemlicher Widerspruch und es fällt mir nicht mal auf. Vielleicht kann ich hier zumindest ein bisschen Bewusstsein schaffen.

Seit 2006 gibt es ein Gesetz das besagt, das Angebote, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, barrierefrei zugänglich sein müssen. Es sollte stufenweise, bis Ende 2015, in Kraft treten. Ausnahmen gibt es zum Beispiel, wenn Gebäude nie barrierefrei zugänglich sein können (zum Beispiel weil sie unter Denkmalschutz stehen) oder wenn ein Umbau nicht zumutbar ist (weil es viel zu teuer wäre). In Wirklichkeit sieht das Ganze natürlich ganz anders aus. Es gibt etliche Bars, Cafés, Geschäfte und mehr, die Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen nicht mal betreten können—obwohl ein Umbau zumutbar wäre. Aber genau weil es so viele sind und das niemand überprüft, ändert sich auch nichts daran.

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Wegen eines satirischen YouTube-Videos von Martin Habacher, bin ich erstmals auf das Thema barrierefreies Ausgehen aufmerksam geworden. Er betreibt einen YouTube-Kanal, der Einblicke in das Leben eines Rollstuhlfahrers bietet und kämpft dafür, die Welt ein bisschen barrierefreier zu machen. „Mir sind oft Sachen passiert, da dachte ich, die glaubt mir keiner", meint er auf die Frage, wieso er seinen Kanal gestartet hat. Ich habe mich mit ihm getroffen. Hier ist, was er zum Thema barrierefreies Ausgehen zu sagen hat.

Foto von Angelika Luger

Ein behinderter Mensch, Mann oder Frau, ist ein Mensch wie jeder andere. Der will essen, schlafen, furzen, rülpsen, fernsehen, Radio hören, Zeitung lesen, arbeiten, sich geschätzt fühlen, eine Beziehung haben, Liebe, Urlaub machen und auch fortgehen. Es gibt keine Ausnahme. Manche sitzen lieber zu Hause, andere nicht. So verhält es sich auch bei Menschen, die keine Behinderung haben.

Es gibt so viele Räume die man täglich betritt, ohne vorher zu wissen, wie sie aussehen. Wenn ich in einen Club gehen will, weiß ich nicht mal, ob ich mit meinem Rollstuhl überhaupt reinfahren kann. Wenn ich bei einem Club anrufe und frage, ob er barrierefrei ist, weiß die befragte Person meist überhaupt nichts mit dem Begriff anzufangen. Ich muss dann der Reihe nach fragen: Wie breit ist der Eingang? Gibt es Stufen? Das Letzte, woran die Leute denken, ist das barrierefreie Klo. Wenn du aber feiern und trinken willst, musst du auch Pipi machen. Selbst wenn es nur zum Koksziehen ist, brauchst du einen Raum, in den du reinfahren kannst. Ich will aber ausdrücklich erwähnen, dass ich das nicht mache, weil Drogen illegal sind.

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Wenn sich meine Freunde in einer größeren Runde treffen, kann ich nicht immer dazustoßen. Das hat dann meist jemand ausgemacht, der nicht zu meinem engsten Freundeskreis gehört und nicht mal wusste, dass ich komme. Einer aus der Runde fragt mich dann, aber ich kann nicht, weil das Lokal, in das sie gehen, nicht barrierefrei ist. Im Sommer ist es einfacher, da trifft man sich öfter draußen. Manchmal bin ich mit einer Freundin bei Poetry Slams. Danach geht die Organisatorin mit den Slamern und ihren Freunden traditionell in das Lokal daneben etwas trinken. Auch da kann ich nicht mitkommen, weil beim Eingang Stufen sind. Natürlich könnte mich jemand ins Lokal heben, aber ich will nicht in ein Lokal, aus dem ich nichtmal alleine wieder rauskomme. Oder in ein Lokal, das kein Behinderten-Klo hat. Wenn die meine Kohle wollen, will ich den gleichen Service wie die Anderen. Da gehört aufs Klo gehen nun mal dazu.

Gesetzgeber behaupten immer wieder, sie wollen, dass alle gleichgestellt sind. Aber die Voraussetzungen werden einfach nicht geschaffen. Es gibt zwar Gesetze die besagen, dass ein behinderter Mensch nicht diskriminiert werden darf, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Und in diesem Fall gibt es leider sehr viele Ausnahmen. Wenn hippe Lokale umbauen, sehe ich immer hunderte Fotos auf Facebook. Wie sie die Wände rausreißen, die Klos neu machen, alles modern und cool-abgefuckt einrichten. Dann eröffnen sie und haben natürlich wieder nicht an Leute mit Behinderung gedacht. Ich kann also nicht rein.

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Eine gesetzliche Änderung, die ich begrüßen würde wäre, dass Barrierefreiheit auf die gleiche Ebene gehoben werden würde, wie Küchenvorschriften. Ich kann ja nachvollziehen, wenn ein 40m² Lokal mit drei Tischerl, sich keinen Umbau leisten kann. Aber das Lokal braucht trotzdem eine bestimmte Lüftungsanlage, Kücheneinrichtungen, muss Auflagen erfüllen und so weiter. Wenn sie das nicht machen, bekommen sie keine Genehmigung für das Lokal. Genauso könnte man sagen, wenn sie es nicht barrierefrei machen, bekommen sie keine Genehmigung. Und wenn das zu teuer wäre, sollte man dort vielleicht kein Lokal machen. Punkt. Es ist natürlich schade für die, die es machen wollen.

Ein weniger radikaler, realistischer Ansatz wäre, wenn die Clubs, Bars, Cafés und so weiter es einfach auf ihre Homepage schreiben müssten. Ein Foto vom Eingang machen und sagen, wie die Toiletten sind und wie man sie erreicht. Das würde schon reichen. Es sollte eine Kennzeichenpflicht geben, ob Lokale barrierefrei sind oder nicht—ähnlich wie Allergene ausgeschrieben sein müssen.

Es gibt eine App namens Wheelmap, da kann jeder Mensch eintragen, ob die Location barrierefrei, teilweise oder gar nicht barrierefrei ist. Grün, gelb oder rot. Das ist natürlich nicht verifiziert und kann deshalb mal ungenau sein, aber ich denke die Crowd weiß es immer am Besten. In Wien ist da noch nicht so viel eingetragen aber in Deutschland zum Beispiel, ist die Community ziemlich stark.

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Wenn ich ausgehe, dann am liebsten beim Gürtel. Zum Beispiel ins Rhiz, das hat eine barrierefreie Toilette. Daneben ist der Kramladen, mit einer fast barrierefreien Toilette. Oder ins Gürtelbräu: Da ist die Toilette nicht barrierefrei, aber für mich mit Augenzwinkern machbar. Letztens war ich im Chaya Fuera, das ist mit Rollstuhl über den Innenhof zu erreichen. Die Location und die Leute muss man halt mögem. Es kommt natürlich drauf an was es spielt. Aber ich war sehr positiv überrascht, dass es barrierefrei ist.

Weitere große Clubs in Wien die barrierefrei sind: Pratersauna (der Schlüssel für das barrierefreie WC ist bei Klo-Captain Peter, er macht jederzeit auf), Grelle Forelle, Volksgarten, Praterdome, Fluc und Fluc Wanne (über einen Lift), Café Leopold teilweise (nur der Café-Floor).

Ich konnte nur auf der Fluc-Website die Informationen finden und habe deshalb bei den restlichen Clubs nachgefragt.

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