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Ausgelutschte „Einflüsse“, die deine Band nicht mehr haben darf

Du hast also ‚Clockwork Orange’ gelesen, 1984 verstanden und Joy Division gehört. Du bis ohne Zweifel einzigartig. So wie deine beschissene Band. NICHT.

Das Universum ist ziemlich groß. Es gibt so unglaublich viele Sachen darin. Dinge wie Blaubeeren, Natrium und Schreibwarengeschäfte. Das sind aber einfach nur Dinge. Dann gibt es natürlich noch Menschen, so wie Saadi Shirazi, den persischen Dichter aus dem 13. Jahrhundert, oder Pauly D von Jersey Shore. Dann gibt es auch noch Kultur wie den britischen Kriegsfilm An vorderster Front von 1956, dem Schauspieldebüt von Michael Caine, oder die amerikanische Reality Serie Ax Men, in der Holzfällertrupps dabei begleitet werden, wie sie irgendwelches Zeug kleinhacken. Mit den ganzen Ideen und Theorien will ich gar nicht erst anfangen—es gibt so unglaublich viele davon, wie zum Beispiel jüdischen Anarchismus oder das gebutterte-Katze Paradoxon.

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Wie kann es dann eigentlich sein, dass jede neue Band die gleichen acht oder neun Einflüsse anführt, von denen auch schon jede andere Band auf diesem Planeten beeinflusst worden ist? Wir haben es ja kapiert: Du hast Clockwork Orange gelesen, dein eigenes Nadsat-Glossar verfasst und dir dann an irgendeinem Punkt gedacht, „das könnte einen guten Bandname hergeben“. Nachdem es aber schon eine Band mit dem Namen Heaven 17 gibt, eine Band namens Moloko, ein Album mit dem Namen Korova eine Fülle von Songs mit dem Namen „Horrorshow“ und „Ultraviolence“ und Gerard Ways komplettes Image, das quasi auf einer Disney Channel-Version von Kubricks Alex aufbaut, glaubst du wirklich, dass es eine so gute Idee ist, in deinem ersten NME-Interview ausgiebig darüber zu schwafeln, was Burgess uns auch heute noch erhellendes über Straßengewalt in den Großstädten lehren kann?

Es tut uns leid, aber es ist wirklich an der Zeit, eine Grenze zu ziehen. Im Folgenden findest du nun eine Auflistung von Sachen, die du nicht mehr als Einflüsse heranziehen solltest.

1984

Beginnen wir mal hiermit. Dieser Roman ist quasi das Fisher Price Meine-Erste-Literatur-Referenz unter allen Einflüssen. 1984 ist auch heute noch ein unglaublich beeindruckendes Buch, da sich so viele Aspekte seiner dystopischen Vision in der aktuellen Weltpolitik wiederfinden lassen. Du hast aber schon verstanden, dass es genau das ist, worum es in dem Buch geht, oder? Dein Eindruck sollte sein, „Wow, Orwell war ein vorrausschauender Schriftsteller“, und nicht, „Ich weiß, dass er über ein frei erfundenes Land mit dem Namen Eurasia schreibt, aber ich mit meinem brillanten Hirn habe einige dieser Sachen in unserer heutigen Zeit wiedergefunden!!!“

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Aber genau das passiert immer wieder. Irgendwelche Bands bekommen irgendwas in den Nachrichten mit—sei es die Überwachung durch die NSA oder irgendwelche Vertuschungsaktionen durch den Staat—und legen dann los, „Alter, das ist genau wie das Ministerium für Wahrheit oder Neusprech oder die Teleschirme oder was auch immer, wir müssen unbedingt einen Song darüber schreiben.“ Genau dieser geistige Kurzschluss bescherte uns Coldplays „Spies“, Rage Against The Machines „Testify“, Radioheads „2+2=5“, Songs mit dem Namen „1984“ von David Bowie, New Model Army, The Clash und The Kooks, Alben mit dem Titel 1984 von Eurythmics, Van Halen und Rick Wakeman. Ich würde ja eine Spotify-Playlist zusammenstellen, allerdings habe ich keinen Bock, dass eventuell 0,0001 Cent Luke Pritchards Bankkonto gutgeschrieben werden.

Ich schätze, das Ganze erreichte seinen Höhepunkt als Muse—eine Band, die, wenn sie nicht jede Arena auf diesem Globus ausverkauft hätte, die Typen gewesen wären, die dir in der 10. Klasse im Erdkundekurs von hinten auf die Schulter getippt hätten, um dir zu sagen, dass die Regierung Fluoride ins Trinkwasser mischt, um deine Gedanken zu kontrollieren—The Resistance veröffentlichten—ein komplettes Album, das nur 1984 gewidmet ist. Einer der Songs heißt „United States of Eurasia“. Es ist fast so, als ob Muse—und nicht Orwell—diejenigen gewesen wären, die erkannt haben, dass mit Eurasia ein tatsächlich existierender Kontinent gemeint ist. Das Album war voll mit unbeholfenen Textzeilen in der Art von „And these wars they can't be won/Does anyone know or care how they begun?/They just promise to go on and on and on.“ Jetzt mal ernsthaft, warum beschränkt ihr Vollpfosten eure Texte nicht einfach auf schwarze Löcher und Roswell?

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Twin Peaks

Twin Peaks ist eines dieser sonderbaren Kulturphänomene—siehe auch: Death Metal, Doctor Who oder Comics—bei dem jeder, ungeachtet der Tatsache, dass es ein weltweit populärer, unzählige Male zitierter Fernsehklassiker ist, immer noch so tut, als wäre er der erste, der Twin Peaks wirklich zu schätzen weiß und tief in die karminrote Seele der Serie blickt.

Zu den Künstlern, die sich auf die Serie oder ihren unglaublich guten Soundtrack bezogen haben, gehören unter anderem: Moby, Surfer Blood, DJ Shadow, The Wedding Present, Ben Frost, El-P, Mount Eerie, Sky Ferreira, Blood Red Shoes, Twin Peaks (sehr kreativ, Jungs!) und Noah and The Whale. Und Bastille.

Ernsthaft, wenn wir noch einen Song zu hören bekommen, der „Audrey Horn Knows My Secret“ heißt, dann gehen wir zu David Lynchs Haus und machen ihm die Hölle heiß.

90er Jahre R’n’B

Jeder liebt 90er Jahre R’n’B, weil er einfach brillant ist. Du bist kein ikonoklastischer Kulturrebell, weil du Destiny’s Child, TLC und Ashanti großartig findest. Es ist gemeinhin anerkannt, dass sie großartig sind.

Die Londoner Riots

Auch fast ein Jahr nach den Ausschreitungen in London beinhaltete jedes Interview mit jedem britischen Popstar drei sinnfreie Absätze, in denen der Interviewer wahlweise Coldplay, Dizzee Rascal oder Olly Murs auf den Zahn fühlte, was sie persönlich über „die Ereignisse des Sommers“ denken würden. Hunderte Zeitungsseiten wurden dafür verschwendet, damit du erfährst, dass Leona Lewis der Meinung ist, dass es natürlich nicht gut war, was die Jugendlichen gemacht haben, aber dass man den Ursachen in der Gesellschaft auf den Grund gehen muss, um zu verstehen, warum es passiert ist (oder was auch immer für geistigen Durchfall sie zu dem Thema von sich gegeben hat).

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Es blieb aber nicht nur bei wenig erhellenden Interviewfragen. Schon bald fingen Bands an, Songs über die Riots zu schreiben. Einige waren richtig gut, so wie Plan B’s hitzige Auseinandersetzung mit Gewalt und sozialer Verdrängung in London. Von anderen kann man das wiederum nicht sagen. Dazu gehört auf jeden Fall das Lied der australischen Hackfressen namens The Tamper Trap:

Now who's the one to blame
When the children go insane
Dancing on their broken dreams
While London's burning from within

Wir waren eigentlich davon ausgegangen, das die Sache gegessen ist, aber letzten Monat—ja, es ist inzwischen 2014—hat La Roux einen neuen Track zu den Unruhen veröffentlicht. Kommt schon, Mädels, haltet euch doch wenigstens etwas an den Nachrichtenzyklus. Solltet ihr die Tage nicht eher etwas zu Nick Minajs Albumcover machen?

Harmony Korine

Hier geht es nicht um den Harmony Korine von Spring Breakers: notdürftig mit G-Strings bekleidete Erstsemesterinnen, die sich in Sonnenöl getränkt zu Gucci Mane aneinander reiben wie Kaulquappen. Das geht voll klar. Diese VHS-Camcorder-Ästhetik hingegen—du weißt schon: Die von den Geiselvideos oder den Aufnahmen von dir an der Brust deiner Mutter—ist bis zum Erbrechen exerziert worden. In seinen früheren Filmen wie Gummo, Julien Donkey-Boy und Trash Humpers hat Korine sie ausgiebig eingesetzt, inzwischen ist diese Ästhetik allerdings so aufregend und gewagt, wie jedem Ratschlag deiner Stiefmutter zu folgen.

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Wir glauben, dass alles damit begann, als Gitarrenbands endlich damit aufhörten, ihre Musikvideos auf Super 8 zu filmen. Sie hatten erkannt, das die zweieinhalb Minuten Bildmaterial, die eine Rolle hergibt, einfach nicht ausreichten, um das Orgel-Outro komplett einzufangen, und diese Vintage-Ästhetik jede Band wie The Thrills aussehen lässt. Dies führte dann dazu, dass alle zukünftigen Larry Clarks auf kleine Klappkameras auswichen. Dieses pelzige Analoggefühl—garniert mit Testbild-Mustern—findest du nun überall: von Wavves über Ariel Pink und Joey Bada$$ bis hin zu den Foo Fighters.

Vielleicht nutzen Bands ihre 90er Camcorder, damit du weißt, dass sie ein Dogma95-Seminar besucht haben. Deinen Frontmann aber dabei zu filmen, wie er auf der Suche nach Teebaumöl-Gesichtstüchern durch eine Drogerie schlendert, ist nicht automatisch italienischer Neo-Realismus, nur weil du das behauptest.

Träume

Zu sagen, deine Musik sei von deinen Träumen inspiriert, ist in etwa so, wie eine 1+ in der Schule zu bekommen und dann deinem Lehrer zu erzählen, dass dein imaginärer Freund die ganze Arbeit gemacht hat. Weißt du eigentlich, wo deine Träume herkommen? Aus deiner eigenen Vorstellungskraft. Wenn du also endlich dein Psy-Trance Opus veröffentlicht hast, dann lass nicht dein schlafendes Unterbewusstsein die ganzen Lorbeeren einheimsen. Es wäre doch wesentlich lustiger, wenn jede Chillwave Stoner sagen würde „Ich habe mich von mir selbst und meinem verdammt interessanten Denkapparat inspirieren lassen“.

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Joy Division

Ja, wir haben es schon verstanden. Du hattest ein paar schwere Jahre in deiner Jugend, dann hat dir jemand eine Kopie von Unknown Plasures ausgeliehen, woraufhin du Trost in dem Geschrei von Ian Curtis über Tanzen zu Radiomusik gefunden hast und dann mit einem okayen Gefühl als hässliches Entlein durch die Pubertät gekommen bist. Vielleicht bist du aber auch gar kein so großer Joy Division Fan: Du hast irgendwann mal in der Oberstufe Control gesehen, eins ihrer T-Shirts bei Primark entdeckt, oder ihren Namen in einem der unzähligen Interviews gelesen, in dem sie genannt werden. Von Joy Division zum Musikschreiben inspiriert zu werden, ist in etwa so, wie von einem Besuch bei KFC zum Essen inspiriert zu werden—es ist so offensichtlich, das es einfach nicht zählt. Selbst Leute wie Louis Tomlinson von One Direction führen Joy Division heutzutage als Einfluss an. Es ist das Inspirationsquellen-Äquivalent dazu, an deinem ersten Tag auf der Uni in einem Band-Shirt aufzutauchen, damit auch alle sofort wissen, was für ein lässiger Typ du bist.

Liebe

Oh, du hast die eine Person gefunden, die dir endlich das Gefühl gibt, zu leben? Rate mal, wem das sonst noch passiert ist? ABSOLUT JEDEM.

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Es ist unser Job, euch daran zu erinnern, dass ihr keine einzigartige Schneeflocke seid, sondern ein stinknormaler Mensch mit dem gleichen beschissenen Geschmack wie Hunderte andere auch.