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Ausgehen in London vs. Ausgehen in Wien

Unsere Autorin hat eine zeitlang in London gelebt und ist nun wieder hier. In diesem Text zieht sie Bilanz.

Foto via Flickr | konstantin | CC BY 2.0

Musikalisch verdanken wir London nun mal extrem viel. Von Liebhabern der elektronischen Musik wird die Stadt deshalb stark romantisiert und obgleich früher Sperrstunden und strenger Auflagen, die Clubbetreibern immer mehr Schwierigkeiten bereiten, als die perfekte Party-Stadt gesehen. Erzählst du Leuten, dass du bald in London lebst, gibt es drei gängige Reaktionen.

Erstens: Sie wünschen dir viel Spaß beim Feiern. Als ich für ein halbes Jahr nach London zog, war ich voller Vorfreude viele wilde Nächte zu erleben. Dass ich dafür erst meine Ausgehgewohnheiten komplett umstellen muss, hätte ich nicht gedacht. Zweitens sind sie um deine Finanzen besorgt. Zu Recht. Als Normalverdiener oder Student kannst du dir in London kein Bier bestellen, ohne von einem schlechten Gewissen geplagt zu werden. Von Mietpreisen fange ich hier gar nicht erst an. Und drittens: Es gibt auch noch diese Leute, die mit einem Glitzern in den Augen „Geh Fabric!" rufen. Tatsächlich war ich kein einziges Mal im Fabric. Nicht weil mich die Acts nie interessiert hätten, sondern weil die Erfahrungsberichte meiner Londoner Freunde alle mit „zu viele Touristen, zu groß, zu druff, zu anstrengend" warnten. Leute, die in London wohnen, sehen das Fabric als eine Art London Eye für junge Menschen, scheint mir. Eh lustig, aber es gibt immer etwas Besseres zu tun.

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Mein erster Freitag Abend in London oder ein gutes Beispiel für Vor- und Nachteile, die Ausgehen in London zu bieten hat: Es ist elf Uhr abends, ich und eine Freundin sind in einem ganz normalen Pub. Wir sind hier wohl die Einzigen, die noch nicht vollkommen dicht sind. Innerhalb von 15 Minuten gibt es schon einige verzweifelte Anmachversuche. Immerhin ist die Nacht für viele nicht mehr jung—ab halb eins lassen die Securitys niemanden mehr rein und wer in einem Pub ist, hält oft nicht allzu viel von Clubs oder ist zu betrunken um weiterzuziehen. Wir sind eindeutig nicht auf einem Level mit den anderen Leuten und auf dieses zu kommen wäre uns unmöglich, da ein Bier umgerechnet um die sieben Euro kostet. Deshalb gehen wir zu einem Off-Licence Shop, um uns einen Cider zu kaufen. An dieser Stelle muss ich eine Warnung aussprechen: Lass die Finger vom K-Cider. Mit seinen 8,4% Alkoholgehalt um zwei Pfund mag er lukrativ erscheinen, doch am nächsten Tag musst du andersartig bezahlen. Er wird nicht umsonst auch der Killer-Cider genannt.

Foto von Autorin

Als wir schlussendlich um zwei Uhr morgens im XOYO, einem Club, ankommen, erwarten uns 15 Pfund Eintritt, wobei der Club nur noch zwei Stunden offen hat. Aber das Line Up ist wahnsinn und als Überraschungs-Act tritt gerade Flying Lotus auf. Es ist schwierig zu entscheiden auf welchen Floor wir sollen, überall spielt ein internationaler DJ. Die Musik kommt mir zu laut vor, schließlich bin ich aus Wien Anlagen gewöhnt, die eher einem Autoradio gleichen. Wir landen im Raucherhof. Hier sucht im Minutentakt ein neuer Typ das Gespräch zu uns, wird aber sofort von seinen Freunden unterbrochen, die ihm ungeduldig deuten, dass es nun an der Zeit ist, etwas zu ziehen oder mit Pillen vor seiner Nase herumwedeln. Eigentlich sind wir da, um Seven Davis Jr. zu hören. Soeben wird eine seiner Nummern gespielt, aber von einem anderen DJ. Wir suchen den zweiten Floor auf, wo Seven Davis gerade anfängt aufzulegen. Warum es auf beiden Floors dasselbe spielt ist fraglich, das Phänomen ist mir allerdings aus Wien bekannt. Um vier ist die Party schlagartig aus. Durch etwas Glück zeigt uns jemand noch den legendären, preiswerten 24-Stunden-Bagelladen auf der Brick Lane. Ein Lob auf gutes Nachtessen in London.

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Foto von Autorin

Trotz großartiger Line-ups bleibt auch das XOYO ein Club für Touristen und Druffi-Teenies, den man eher meidet. Mit der Zeit haben wir uns besser informiert und einige Clubs gefunden, die länger offen haben und weniger Eintritt verlangen. Wenn du Glück hast, kannst du in London all deine Lieblings-Producer in einer Woche sehen, du landest auf einer Homeparty, die mit einer besseren Anlage als wir sie in manchen Wiener Clubs haben ausgestattet ist oder stolperst über eine gratis Party im Keller eines Luxus Hotels, auf der dein Lieblings DJ mit seinem Squad auflegt. Die Auswahl an guten Partys ist so groß, dass du den Überblick verlierst. Musikalisch ist London Wien um einiges voraus und auch die Leute scheinen beim Ausgehen ein größeres Interesse an der Musik zu haben. Es könnte allerdings genauso daran liegen, dass man bei 20 Pfund Eintritt höhere Ansprüche an den Abend stellt.

Doch gab es noch einige Dinge, die nicht so cool waren. Zum Beispiel, dass wir um halb drei nicht mehr in den Club gelassen wurden, weil er bereits schließt, Eintritte bis zu 30 Pfund oder Schlangen, in denen wir fast erfroren sind. Obwohl ich zentral in Islington gewohnt habe, musste ich in der Nacht mindestens eine halbe Stunde nach Hause fahren. War ich in Peckham oder Hackney Wick unterwegs, konnte es sogar bis zu über eine Stunde dauern. Mehrmals bekam ich beim Umsteigen zwischen den Nachtbussen Panik, weil ich mich verirrt hatte oder mir Männer auf der Straße folgten. Das kann einem ganz schön den Abend versauen. Was aber recht lustig war ist, dass ich am Heimweg meistens zwei bis drei Füchsen begegnet bin.

Wie muss es einem umgekehrt ergehen, wenn man sich bereits an das Ausgehen in London gewöhnt hat? Ich habe Theorien aufgestellt:
Du hältst den local-Warmup-DJ für den Mainact und fragst dich, warum dieser so „fad" spielt (schließlich ist es doch schon eins). Weil um eins in der Grellen Forelle erst zehn Leute da sind, denkst du, du bist im falschen Club und gehst wieder. Oder: Die Getränke sind zu billig. Zitat von einer Freundin aus London „Wow, it's all just 1 Pound something!" Du bist zu sehr unpassenden Zeiten betrunken und verpasst den Mainact aufgrund eines früh endenden Abends.
Meine Theorien haben eines gemeinsam: Du verpasst den Mainact. Aber davon hast du, wenn du in London lebst, ohnehin schon zu viele gesehen. Es hat durchaus Vorteile früh zu Hause zu sein und trotzdem etwas erlebt zu haben. Ich finde es jedoch schön, dass in Wien alles ein wenig langsamer angegangen wird. So kannst du dich besser auf den Abend einlassen. Treten in einem Club fünf große Acts auf, von denen keiner Lust hat ein Warmup zu spielen, verliert der Abend an Qualität. Gleichzeitig wird es schnell zu viel, du kannst dich auf keinen einzeln konzentrieren und verbringst die Hälfte des Abends im Raucherhof.

Allgemein passiert in London alles sehr schnell und sehr extrem. Jeden Tag gibt es neue Ausstellungen, Lokale, Märkte, Events. Immer besser und größer als zuvor. Die Leute arbeiten hart und feiern deshalb am Wochenende umso härter. Es gibt immer etwas zu tun, das Leben wird nie langweilig. Aber manchmal fehlt genau das, dieser Raum dazwischen.

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