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Anscheinend bin ich Straight Edge

Ich finde Trinken scheiße. Ich finde Straight Edge scheiße. Ich lebe in einer abstinenten Zwischenwelt.

Ich habe mein ganzes Leben lang keine Drogen genommen. Das einziges Verhalten, das Abhängigkeit am nächsten kam, war, fünf Staffeln von Friday Night Lights am Stück zu schauen. Und als ich das letzte Mal Alkohol getrunken habe, war ich in der Unterstufe—also halb so alt wie jetzt.

Die erste Frage, die du vielleicht hast und die ich wahrscheinlich am häufigsten gestellt bekomme, ist: „Warum nicht?“, was für mich eine extrem nutzlose Frage ist. Du fragst, warum ich etwas nicht mache? Sollte die Bitte um Rechtfertigung hier nicht dir gelten, dem Trinker? Es gibt tausende Sachen, die ich nicht mache, und du fragst auch nicht, warum. Warum fragst du nicht, weshalb ich nicht in die Kirche gehe oder keine Katze habe oder keine Countrymusik höre? (Kurze Antworten: Weil Religion Verarsche ist, weil sie flauschige kleine Arschlöcher sind und weil ich noch all meine Zähne habe.) Trotzdem, wenn die Leute hören, dass ich nicht trinke, verlangen sie mit solch einem Nachdruck nach einer Erklärung, als hätte ich ihre Mutter beleidigt.

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Meine endgültige Antwort ist: Ich will nicht. Schlicht und einfach. Niemand in meiner Familie hat Probleme mit Alkoholismus, ich mache es nicht aus Gesundheitsgründen und auch nicht aufgrund von bescheuerten frommen Gründen. Es ist einfach eine persönliche Entscheidung, ganz einfach: eine Entscheidung, bei der ich meine ganze Zeit als Erwachsener geblieben bin. Aber ich habe mich selbst niemals „Straight Edge“ genannt.

Als Ian Mackaye 1981 den Song „Out of Step“ schrieb, sprach er nur über sich und seine eigenen Ideale. Er hatte nie die Absicht, dass aus Straight Edge eine Bewegung wird, was er auch mehrere Male betonte. Als er die Textzeile „Don’t smoke, don’t drink, don’t fuck“ schrieb, sollte das keinen Imperativ darstellen und er wollte sicherlich auch nicht, dass Leute sie als eine Art Marschbefehl verstehen, Straight Edge-Gangs gründen und anfangen, junge Leute, die trinken, zu verprügeln; etwas total Dämliches, das eine Weile lang in der Punkszene vorkam. (Oder vielleicht immer noch passiert, ich weiß es nicht. Falls so etwas immer noch passiert, muss es schneller sterben als das Ska-Revival.) Das ist auch der Grund, warum Minor Threat den Song zwei Jahre später nochmal neu aufnahmen und Mackaye die Textzeile in „I don’t smoke, I don’t drin, I don’t fuck“ änderte und den Song mit einem Monolog darüber, dass er nicht versucht hatte, Regeln aufzustellen, ergänzte. Das war im Prinzip nur eine mildere Ausdrucksweise von: „Hört mit dieser sXe-Gang Gewalt-Scheiße auf, ihr dummen Straight Edge-Trottel!“

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Ich selbst habe mir nie auf die Fahne geschrieben, Straight Edge zu sein, viele meiner High School-Freunde haben dies jedoch getan—sie hatten XXX-Aufnäher und Tattoos und so. Und das Ironische daran ist, dass sie alle aufgehört haben, als sie aufs College gekommen sind und jetzt diese Art von Kiffertypen sind, die sich dem high werden wissenschaftlich nähern. Sie erzählen sich, dass man besonders high wird, indem man Gras nimmt, zu einer feinen Paste zerreibt, die Asche seiner toten Oma dazu mischt, es mit einem Voodoo-Gebet segnet, für fünf oder zehn Jahre im Garten vergräbt und es dann ausgräbt und sich die Zähne damit putzt. Oder so ähnlich.

Und das ist vollkommen OK. Ich habe nichts gegen Gras oder Alkohol, wenn es das ist, was sie nehmen wollen. Klar, wenn ich pedantisch sein wollte, würde ich sagen, dass Gras riesige Zeitverschwendung ist und Tabak und Alkohol Mittel sind, damit die Arbeiterklasse arm bleibt. Manche Leute reagieren verteidigend, wenn ich das sage, und machen mich auf Artikel aufmerksam, die sie auf www.I’mRight.com gelesen haben und die besagen, dass Marihuana grünen Star bei Pflanzen heilt und dass Ärzte sagen, zwei Gläser Wein am Tag zu trinken, würde davor schützen, bei einem Angriff von einem Bär zu sterben. Sicher. Wenn es das ist, was du dir selber sagen willst, um deine Laster zu rechtfertigen, nur zu. Ich bin jemand, der versucht, sich selbst davon zu überzeugen, dass jede Woche zehn Tacos zu essen, „den Stoffwechsel belebt“. Mir gegenüber musst du dich also nicht rechtfertigen.

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Nein. Das möchte ich nicht.

Eine andere Reaktion, die mir entegenkommt, wenn Leute herausfinden, dass ich nicht trinke, ist, dass sie mir erzählen, dass sie ebenfalls nicht trinken und dann Enthaltsamkeits-Freunde mit mir werden wollen. Nicht, dass ich jetzt unser verbindendes Element zerstören will, aber, da es für mich eine persönliche Entscheidung ist, ist es mir eigentlich scheißegal, dass du nicht trinkst. Abstinenzler, die sich mit anderen Abstinenzlern anfreunden wollen, sind genauso Idioten wie Leute, die Prius fahren und anderen Prius-Fahrern zuwinken und hupen.

Manchmal erzählen mir die Leute dann auch, dass sie erwägen, mit dem Trinken aufzuhören und fragen mich um Rat, wie sie nüchtern leben können. Äh, sorry, aber ich habe keinen Rat für dich. Mach einfach alles andere, was du sonst auch machst, aber hör an der Stelle auf, an der Alkohol in deinen Mund fließt. Hilft dir das? Das sollte nicht so schwierig sein, denn Alkohol schmeckt eh wie Müll. Der Geruch von Bier erinnert mich immer an diese alten Typen aus dem Softball-Team meines Vaters, die ihren Bier-Atem in mein Gesicht geblasen haben, als sie mich gefragt haben, was ich denn werden will, wenn ich groß bin. (Das weiß ich übrigens immer noch nicht, Mr. Donovan.)

Die Leute nehmen auch immer an, dass ich topfit sein muss und einen Haufen Geld spare, da ich keinen Alkohol trinke. Also ich bin gerade ins andere Zimmer gegangen, um meinen Kontostand zu checken, und ich habe genau 84,23 Dollar auf dem Konto. Außerdem hat mich die Aktion ganz schön aus der Puste gebracht. Also nein. Aber eine interessante Folge meiner Nüchternheit ist, dass ich Samstagnacht, wenn sich alles um Alkohol dreht, in der Lage bin, die Welt so zu sehen, wie sie ist, während betrunkene Leute viel zu weggetreten sind, um das zu bemerken. Ich sehe streitlustige Typen aus Studentenverbindungen, die grundlos irgendwelche Kämpfe anfangen. Ich sehe betrunkene Tussis, die denken, jeder Song, den der DJ spielt, wäre über sie. Und ich sehe Pärchen, die lallen und sich wegen absoluten Nichtigkeiten in die Haare kriegen. Manchmal möchte ich sie an den Schultern packen, sie schütteln und sagen: „Leute. Leute! Ihr habt über eine Stunde nicht eine einzige gehaltvolle oder zusammenhängende Sache gesagt. Geht einfach nach Hause und ins Bett, ihr betrunkenen Spinner!“ Nüchtern zu sein, während alle anderen betrunken sind, fühlt sich an wie Roddy Piper in Sie leben! zu sein, wenn er seine magische Brille trägt.

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Die einzige Sache, die noch blöder als die Trinkkultur ist, ist die Straight Edge-Kultur. Das ist eine Sekte von Leuten, die sich aufgrund einer Sache, die sie nicht machen, anfreunden. Das ist wie ein Treffen der anonymen Alkoholiker mit einem furchtbaren Soundtrack. Straight Edge-Bands sind der Christenrock des Hardcore. Sorry, aber wie viele verdammte Songs brauchen wir noch über das Nicht-Trinken? Ich denke, wir haben mit dem ersten alles zu genüge abgedeckt. Jeder nachfolgende Straight Edge-Song ist eine Kopie von „Out of Step“ und jeder wird unnötiger und aggressiver als die vorherigen. Es ist schier unmöglich, dass jemand einen Song über das Nicht-Trinken schreibt, der nicht schon eine Million Male vorher geschrieben wurde. Und ich glaube nicht, dass erwachsene Männer, die in der Öffentlichkeit Basketball-Shorts tragen, in der Lage sind, diese Aufgabe zu bewältigen.

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Das möchte ich auch nicht.

Hier bin ich also, gefangen in diesem Spalt zwischen den Kulturen. Ich lebe in dieser einsamen Zwischenwelt, in der ich denke, dass Floskeln wie „Vorglühen“ und „Einen drauf machen“, genauso blöd sind wie „True ’Til Death“ und „Poison Free“. Ich finde sich Xe auf die Hand zu malen genauso dumm wie Dosenstechen oder Instagram-Fotos mit Bierbongs. Und T-Shirts mit der Aufschrift „Bier ist scheiße, trink Wasser“ sind genauso unlustig wie welche, auf denen steht: „Irgendwo ist es immer Zeit für ein Feierabendbier.“ (Auch wenn ich zugeben muss, dass solche besonders unlustig sind und ausschließlich von Versager-Vätern, die eine Glatze und Pferdeschwanz haben und heruntergekommene Pick-Up Trucks fahren, getragen werden.)

Aber wenn mich als „Straight Edge“ abzustempeln dir hilft, zu verstehen, warum eine scheinbar normale Person keinen Alkohol trinkt, dann nur zu, mach das. Ich werde es allerdings nicht tun. Weil es mir egal ist. Also habe ich meine eigene Bewegung für apathische Nicht-Trinker gegründet. Sie nennt sich „Straight Meh-dge“. Wir haben kein Logo oder T-Shirt oder so. Wir singen keine Hymnen darüber. Außerdem kann niemand beitreten. Sie besteht nur aus mir. Wir treffen uns sonntags und gucken Friday Night Lights. sMe-Pride.

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