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Ahzumjot schreibt keine übertriebenen Hits

Am Anfang wurde ihm der Stempel „nächstes großes Ding“ aufgedrückt—Ahzumjot hatte aber keine Lust, die Erwartungen zu erfüllen. Drei Jahre später erscheint nun sein Album „Nix mehr egal“.

Foto: Christoph Voy

Als ich Ahzumjot vor ein paar Monaten kennenlernte, stand ich ihm eher skeptisch gegenüber. Ich mochte sein Album Monty, doch er war mir ein etwas zu gut gekleideter Typ, der ewig auf sein neues Album warten ließ. Ich unterstellte ihm aus irgendwelchen Gründen Arroganz. Doch als wir uns unterhielten, merkte ich, dass der Typ kein Stück arrogant ist. Ahzumjot ist wirklich freundlich und vor allem sehr aufmerksam. Keine Spur von oberflächlichem Rappergelaber, obwohl er gerade seinen ersten Majorvertrag bei Universal unterschrieben hat.

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Fast drei Jahre nach seinem selbst herausgebrachten Album Monty ist alles anders. Ahzumjot hat sich mit Produzent Nikolai Potthoff (Tomte, Leslie Clio) und seinem DJ Levon Supreme zusammengetan, um sein lang erwartetes Majordebüt Nix mehr egal herauszubringen. Wir trafen uns in einer Bar, um über Erwartungen, Bandwaggoners und Sprache zu sprechen.

Noisey: Du hast gestern getwittert, dass du Aaliyah gehört hast. Was mochtest du so an ihr?
Ahzumjot: Ich bin ein sehr großer R'n'B-Fan. Gestern wollte ich entspannte Musik hören und habe zuerst „Get on the bus“ von Destiny's Child gehört. Weil der von Timbaland produziert war, war ich sofort wieder im alten Timbaland-Film. Da ist mir eingefallen, dass er bei Aaliyah einige seiner geilsten Beats gemacht hat.

Glaubst du, dass eine Beyoncé so groß geworden wäre, wenn Aaliyah noch am Leben geblieben wäre?
Wenn Aaliyah dagewesen wäre, dann hätten Beyoncé und Rihanna gar nicht die Chance gehabt, ihr Ding so weiter zu spinnen. Dann wäre Aaliyah der herausragende Charakter in der weiblichen R'n'B-Welt. Drake hätte einen Song wie „Take Care“ viel eher mit einer Aaliyah als mit einer Rihanna gemacht.

Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, hast du viel von deiner Familie gesprochen. Ist das ein Thema, das dich gerade beschäftigt?
In letzter Zeit setze ich mich damit häufiger auseinander. Ich habe mich erst so richtig vor ein, zwei Jahren mit meiner Vergangenheit beschäftigt. In der Pubertät ist man ja viel mit sich selbst beschäftigt. Die Eltern interessieren einen auch nicht als eigenständige Charaktere, die sind für dich einfach deine Eltern. Die Sache ist: Du fragst dich erst, wo du herkommst, wenn du realisierst, wer du bist.

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Du hast dich der Geschichte deiner Eltern auf dem Song „Vier Minuten“ gewidmet.
„Vier Minuten“ ist ein Kernsong des Albums und für mich als Charakter. Mein Vater hat mir erzählt, dass meine Eltern, als sie nach Schöneberg gezogen sind, genau gegenüber von dem Haus gelebt haben, in dem ich gewohnt habe. Was für eine absurde Paralelle. Mein Vater hat mir gesagt: ‚Wir sind damals aus Rumänien nach Berlin gezogen, weil ich dachte, ich könnte die Welt erobern.‘ Einwanderer denken sich wahrscheinlich oft: Hier ist es scheiße, im Westen wird das alles besser. Irgendwo ist es ähnlich zu mir, der auch nach Berlin gezogen ist, weil er auch dachte, er könnte die Welt erobern.

Deine Mutter ist Rumänin und dein Vater Ghanaer. Wie war es für dich, als Exot aufgenommen zu werden?
Das hat mich nie wirklich gestört. Ich find's ganz gut, ein Exot zu sein, aber ich sehe mich eher als Exot, was meine Gedanken und Handlungen angeht, statt wegen meiner Herkunft. Als 18-Jähriger habe ich mich nie so für Partys oder Saufen interessiert. Das hat mich viel mehr zum Exoten in meiner Generation gemacht, als zum Beispiel die Tatsache, dass ich halb schwarz war.

Feierst du nicht gerne?
Doch, aber dann muss es mit den richtigen Leuten sein. Das hört sich vielleicht etwas anmaßend an, aber ich hatte immer Wichtigeres vor, als mich zu betrinken. Als meine Klasse nach der Matura nach Lloret del Mar gefahren ist, bin ich zuhause geblieben und war froh, dass ich eine Woche ungestört Musik machen konnte.

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Was ist eigentlich seit deinem Debüt Monty und der Neuen Reimgeneration passiert? Warum hat es fast drei Jahre bis zu einem neuen Album gebraucht?
Nach Monty und im Jahr 2012 ist so viel passiert, das ich erst einmal verarbeiten musste. Ich habe so viele neue Eindrücke bekommen, auch von der Szene. Ich war plötzlich in einer Szene gelandet, bei der ich sagen muss, dass viel affektierter Scheiß ist.

Was meinst du genau?
Zum Beispiel bist du dann cooler, wenn du Erfolg hast. Ich habe Leute kennengelernt, die sich nach dem fünften Aufeinandertreffen nicht an meinen Namen erinnert haben und als ich plötzlich Touren gespielt habe und bei Universal gesignt war, war es so „Hey Alan, weißt du noch?“ Nicht, dass ich jetzt der riesen erfolgreiche Rapper wäre, ich bin immer noch ein kleiner Fisch. Aber auch nicht mehr der kleine Fisch nach Monty mit meinen 400 Facebook-Likes.

Das sind wahrscheinlich die Nebenwirkungen vom Erfolg.
Ich sage mal so: Die Leute könnten sich für mich interessieren, weil ich vielleicht was zu erzählen habe und man gute Gespräche mit mir führen kann. Aber es interessiert viele Leute mehr, dass du jetzt einen Deal hast. Frag mal einen Casper, als er nicht mehr der Punkdude aus Bielefeld war, der mit krächzender Stimme gerappt hat, sondern auf einmal der Typ war, der Gold und Platin ging und Preise abgeholt hat. Wie anders auf einmal fremde Menschen auf ihn zugegangen sind, wie viele Bandwaggoner es gab.

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Hat dir das nicht auch geschmeichelt?
Ich musste 2012 realisieren, wo ich stehe. Die Leute kannten Monty, und das hat dazu geführt, dass die Leute auf mich zeigten und sagten: Das wird das nächste große Ding. Irgendwo fand ich es cool, dass die Leute anerkennen, was ich mache. Ich war ja selber von meinen Sachen begeistert. Aber ich meinte immer: Beruhigt euch mal, das ist nicht alles, was ich kann. Auch Nix mehr egal ist nicht alles, was in Ahzumjot steckt. Ich bin 25, ich lerne gerade erst, mit dem Ganzen umzugehen und richtig Musik zu machen. Damals fand ich es schon geil, dass mir alle das gesagt haben, aber gleichzeitig war ich auch so: Warum?

Kannst du das heute verstehen?
Als ich drüber nachdachte, habe ich realisiert, dass die alle nach dem großen Ding gesucht haben. Die Leute haben gemerkt, dass Deutschrap wuchs und deswegen mussten sie sich Rapper picken, über die sie reden konnten. Und da ich nach Casper einer der ersten war, der was Neues und Innovatives gemacht hat, war es zwangsläufig so, dass man auf mich mit dem Finger gezeigt hat. Ich habe sehr schnell gelernt zu erkennen, dass das alles großer Quatsch ist. Bei mir war es so: Okay, ich wurde jetzt zu irgendwas ernannt, aber ich spiele jetzt erst mal total viel live und schaue, dass ich erst dann ein Album mache, wenn es Sinn macht. Ich hatte ja gerade ein Album draußen, wie soll ich einen Monat später wieder an einem arbeiten. Was hätte ich denn erzählen sollen: Ich bin jetzt der nächste große Hype, oder wie?

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Aber ein Album damals hätte sich sicherlich gut verkauft.
Vielleicht. Aber lieber schaue ich in den Spiegel und sage: Ich habe ein geiles Album abgeliefert, als dass ich sage: Ich habe die Welle ausgenutzt und ein Album gemacht, dass okay ist. Aber dafür bin ich total erfolgreich jetzt. Ich habe es ja auch nie des Geldes wegen gemacht. Wer verdient denn als Musiker Geld? Musiker ist definitiv kein lukrativer Job. Aus welchem Grund heraus sollte man es machen, außer das es eine Herzensangelegenheit ist?

Wie hast du die Texte für Nix mehr egal geschrieben?
Ich habe erst die Idee zu einem Song, sobald ich das Instrumental dazu höre. Die Musik muss mir immer erst ein Gefühl geben. Ich habe auch versucht, vorzuarbeiten, bevor wir einen Produzenten gefunden haben. Da kam kaum was raus dabei.

Wie würdest du das Album thematisch beschreiben?
Mein Werdegang: Wo gehe ich hin und wo will ich hin. Inwieweit beeinflusst mich mein Umfeld, also die Welt da draußen. Du hast ein Ziel, aber was passiert, wenn dir Steine in den Weg gelegt werden? So Sachen wie: Klar will ich Musik machen, aber wie zahle ich die Miete? Da wird einem nicht unbedingt unter die Arme gegriffen.

Ich stelle es mir sehr schwierig vor, so allumfassende Themen in einem Songkonzept aufzuarbeiten.
Tatsächlich ist das Schreiben bei mir immer sehr einfach, weil ich in mich gehe und drauf losschreibe. Das Schleifen an einem Song, dass es im Nachhinein verständlich wird, ist die eigentliche Arbeit. Der Rest ist kreatives Reinschmeißen. Ich habe mich mit ein, zwei Leuten zusammengesetzt und darüber gesprochen, ob sie das verstehen, was ich sagen will. Wenn sie es nicht kapiert haben, dann war es so, weil sie mich noch nicht so kennen. Wie kann ich es also umformulieren und sauber machen, dass es verständlich ist. Das ist eine Kunst für sich und sehr viel Arbeit. In „Raumschiff“ sage ich, dass mein Leben ein einziger Exkurs ist. Genauso ist die Musik, die zum Teil noch extrem naiv ist. Ich mache keine Musik, bei der man das erste Mal durchdreht und sagt, das ist ein Hit. Ich kann in dem Sinne keine übertriebenen Hits schreiben. Entweder passiert bei mir ein Zufallshit oder keiner. Dafür aber ein guter Song.

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Was fehlt dir denn zum Hits machen?
Ich glaube, ich bin keine berechenbare und keine berechnende Person. Ein Hit ist berechnend: Wir fangen mit einem Refrain an, der eine total einfache Melodie und einfache Worte hat, die jeder mitsingen kann. Dann hat man die Strophen, in die man etwas reinpackt, was die Leute aktuell triggert. Ich bin aber der Meinung, dass Dinge, die du für die Ewigkeit schaffen willst, nicht berechenbar sind. Damals hat keiner gedacht, dass Stadtaffe von Peter Fox eines der erfolgreichsten Alben aller Zeiten wird. Aber weil es nicht berechnend war.

Die Albumproduktion hat auch extrem lange gedauert.
Peter Fox hat mit den Krauts ein Jahr lang nur die Texte für das Album geschrieben. Das war alles nicht danach berechnet, was die Hits werden sollen. Als „Alles neu“ rauskam, war plötzlich alles neu. Das war etwas, das niemand kannte. Peter Fox hat ein eigenes Genre und eine eigene Sprache erfunden. Er hat es geschafft, ein Album über Berlin zu machen, womit sich jeder identifizieren konnte. Die Sprache war so geschickt gewählt, dass nichts davon ein offensichtlicher Hit war, es aber jeden berührt hat. Das ist eine unglaubliche Kunst.

Glaubst du, du kannst da auch mal hinkommen?
Das ist der große Aspekt, den ich selber noch lernen muss und weswegen ich mich noch sehr viel mit Sprache beschäftigen will. Deswegen sage ich, dass das Album noch nicht alles ist, was ich kann. Ich habe definitiv diese Sätze und diese Momente, die triggern. Aber ich will mal ein Album schaffen, das vielleicht von meinem Mikrokosmos handelt, das aber jeder greifen kann, weil diese Sätze und Worte drin stecken. Aber nicht aus einer Berechenbarkeit heraus. Das ist mein allergrößtes Ziel in meinem Leben, ein Album zu machen, das neben einem Stadtaffe von Peter Fox stehen kann. Und da rede ich nicht von den Verkaufszahlen, sondern wo man sagen kann: Ey, da stimmt einfach komplett alles. Aber dafür brauche ich die Zeit und dafür muss ich noch sehr, sehr viel lernen. Ich weiß, dass ich der Beste in dem sein kann, was ich mache. Aber dafür muss ich noch viel Arbeit investieren.

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Ahzumjots Nix mehr egal erscheint diesen Freitag. Ihr könnt es bei Amazon und iTunes vorbestellen.

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