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5/8erl in Ehr'n sind das Trojanische Pferd des Wiener Souls

Wir haben mit den Achterln über David Alaba und politische Musik geredet.

Alle Fotos: Julian Haas

5/8erl in Ehr'n sind auf den ersten Blick ein Rätsel. Die Musik der Wiener Kombo ist das, was man normalerweise „Neues Wiener Lied" nennt, weil man kein besseres Wort dafür hat: Sehr viel Soul, manchmal Jazz, bisschen Songwriter, Wienerischer Gesang. Die Themen sind aber doch oft ein bisschen sperriger: Neben universellen Bedürfnissen wie der Liebe geht es auch um Rassismus oder den Akademikerball.

5/8erl in Ehr'n stehen kurz vor dem Release ihres dritten Albums YES WE DOES, das am Freitag erscheint. Zur Releaseparty haben sie das brut in Wien an zwei aufeinanderfolgenen Abenden quasi ausverkauft (für Donnerstags gibt es noch ein bisschen Abendkassa). Ich bin mit Max und Hanibal, zwei der fünf Achterl, am Nachmittag des ersten Konzerts zusammengesessen geredet und habe über David Alaba, politische Musik und Trojanische Pferde geredet.

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Noisey: Kurz bevor ich hier hergekommen bin, hab ich noch das Video zu „Alaba, How do you do“ gesehen. Ich hätte jetzt gerne ein kluge Frage dazu. Aber stattdessen frag ich jetzt erstmal vorsichtig, woher die Idee dazu kam.

Max: Das war eigentlich schon ein Gemeinschaftsding. Wir sind zusammengesessen und haben uns überlegt, welche Bilder wir zu diesem Text zeigen könnten.

Hanibal: Wir wollten von Anfang an eine Text-Bild-Schere, also nicht genau das abbilden, was beschrieben wird. Wir wollten Rolemodels zeigen, mit denen sich jeder identifizieren kann. Oder eben auch nicht. Deshalb auch der Pfarrer und der Kiwara. (Pause) Aber jetzt frag schon, es liegt dir eh auf der Zunge.

Ist es nicht zu einfach, solche Bilder zu dem Text zu zeigen und auf genau diese Rolemodels draufzuhauen? Die Polizei, die katholische Kirche und Niki Lauda werden in euer Zielgruppe nicht besonders viele Fans haben.

Max: Ich find eigentlich gar nicht, dass wir draufhauen. Wir zählen in dem Lied ja nur Fakten auf: Man ist froh, dass Hermann Maier nicht homophob ist. Man ist froh, dass Niki Lauda nicht tot ist. Ich sehe das eigentlich gar nicht als Kritik an diesen Menschen, sondern eigentlich an der Medienlandschaft, die Prominente ständig zu irgendwelchen Themen befragt und dabei das Wesentliche außer Acht lässt. Wir stellen eher die Frage, wie es einem Alaba bei der ganzen Sache geht. In Verbindung mit dem Video wird es derber, aber es ist ja auch satirisch, ziemlich überzeichnet. Eher lustig als wirklich böse. Diese Überzeichnung war Arman, dem Regisseur, auch ziemlich wichtig.

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Seid ihr zufrieden mit dem Video?

Hanibal: Sehr. Ich hatte im Vorfeld schon ein bisschen Angst. Sowas kann ja auch schnell peinlich werden. Aber es geht sich voll aus.

Was würdet ihr euch wünschen, was der Hörer bei dem Lied empfindet?

Max: Schwierige Frage. Natürlich braucht Musik einen Abnehmer, aber an den haben Slivo und ich nicht gedacht, als wir den Song geschreiben haben. Wir waren in Bayern, was auch ein schwieriges Bundesland ist. Wir spielen dort sehr gerne, werden aber auch sehr oft von der Polizei angehalten. Wir waren ein bisschen anti an dem Tag. Dazu kommt: Wir hatten bisher auf jedem Album einen Fußball-Song. Es wäre jetzt aber komisch gewesen, ein Lied zu machen, das Alaba einfach nur in den Himmel lobt. Deshalb war die Idee, wenn wir schon eine Alaba-Nummer machen, dann stellen wir ihm Fragen: Wie er sich dabei fühlt, ein nach außen hin tolerantes Land zu vertreten.

Seht ihr euch in der Tradition des österreichischen Selbstekels?

Max: Es gibt in jedem Land kritische Stimmen. In Österreich gibt es halt das Wort des „Nestbeschmutzers“, das Thomas Bernhard benutzt hat.

Wollt ihr „Nestbeschmutzer“ sein?

Max: Es ist immer besser, vor der eigenen Tür zu kehren. Ich wüsste nicht, warum ich mich mit Deutschland oder Amerika beschäftigen sollte. Hier weiß ich mehr, was passiert. Hier fühle ich auch mehr. Aber ich beschmutze nicht. Jeder, der da etwas Beschmutzendes erkennt, beschmutzt sich in der Sekunde eigentlich selbst.

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Ist das politische Musik, die ihr macht?

Max: Die Frage kommt oft, und ich glaube, dass man da eine recht einfache Antwort geben kann: Jeder Mensch, der Kausalitäten erkennt, ist ein politischer Mensch. Jeder agiert politisch, das beginnt bei der Auswahl im Billa. Natürlich haben wir Haltungen und Meinungen, zu denen wir auch öffentlich stehen, aber ich würde uns jetzt nicht auf die Fahnen schreiben eine sonderlich politische Band zu sein.

Aber Songs zu machen, die Rassismus thematisieren, ist trotzdem eine bewusste Entscheidung.

Hanibal: Da hat auch jeder innerhalb der Band einen anderen Zugang. Ich komme aus dem Punk, deshalb ist mir dieses visuelle Ans-Bein-Pissen sehr nah. Damit darf man nie aufhören, das gehört für mich zu einer Band dazu. Wir führen solche Diskussionen ja auch intern ständig: Wenn es Themen gibt, die einen aufregen, redet man darüber und verarbeitet diese in dem, was man macht.

Ist das, was ihr macht, Pop?

Max: Ja, aber ich habe auch einen weiten Popbegriff.

Weshalb ich frage: Pop hat ja im besten Fall die Möglichkeit, Diskurse, die in Subkulturen selbstverständlich sind, einem breiteren Publikum zugänglich machen zu können.

Max: Das ist ja gerade das Schöne. Unser Publikum ist sehr gemischt, ich finde das viel besser als immer nur zu denen zu predigen, die ohnehin schon bekehrt sind.

Du sprichst das diverse Publikum an. Wie unterscheidet sich das in Wien, am Land, in Deutschland?

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Hanibal: In den Landeshauptstädten ist es schon sehr ähnlich. Am Land kann es schon passieren, dass man vor dem 50+ Publikum steht. Das ist natürlich am interessantesten, weil wir dann eigentlich wie ein Trojanisches Pferd sind. Es sind auch schon Leute nach 3-4 Nummern gegangen. Wir haben auch schon mal einen Typen gehabt, der während des Konzerts nur Nazi-Parolen herumgeschrien hat. Wir haben dann versucht mit ihm von der Bühne aus zu diskutieren, haben das Konzert dann aber letztlich abgebrochen. So etwas passiert uns, weil der Sound und das, was man von uns im Internet hört, irgendwie ein bisschen anders ist. Wir kommen daher wie die netten, fröhlichen Wiener Lied-Typen mit der Schunkel-Musik, die Inhalte sind dann aber doch komplexer.

Sind euer Lieder auch Trojanische Pferde, zumindest manche?

Max: Form und Inhalt ist schon ein Thema. Das Lied steht im Mittelpunkt, wir versuchen dann die Form zu diskutieren, um auch mehr Ebenen zu bauen.

Wir reden jetzt schon seit 20 Minuten über Politik. Das ist natürlich immer die Gefahr, wenn man sowas macht: Darauf festgenagelt zu werden. Deshalb jetzt mal zum Sound: Könnt ihr beschreiben, wie sich der bei euch entwickelt hat?

Max: Ursprünglich wollte ich mal während des Studiums in Gastgärten herumgehen und singen, ich bin großer Peter Alexander-Fan. Wir fünf haben uns dann getroffen, und es hat sich dann viel über die Menschen ergeben. Da ist wenig Konstruiertes dabei, auch wenn das jetzt esoterisch klingen mag. Wenn wir uns als zwei Sänger und drei Kontrabässe getroffen hätten, wäre das vermutlich jetzt die Zusammensetzung der Band.

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Wie schreibt ihr?

Max: Es gibt da kein Rezept. Wir sind sehr viel auf Tour, werfen uns viele Ideen zu.

Hanibal: Es ist eine Geschmacksentwicklung im Tourbus. Wir hören sehr viel Musik aus unterschiedlichsten Bereichen, deshalb klingen unsere Sachen auch oft unterschiedlich. Zu den Texten muss der Max etwas sagen.

Max: Hmm. Es ist sehr schwierig, über Kreativität zu reden. Slivo ist irgendwie wie ein Bruder für mich. Wir teilen sehr viel im Leben, auch Ansichten. Wir versuchen daraus etwas zu machen, und dann kommt dann etwas dabei raus.

Blöde Frage, aber wer wollt ihr auf der Bühne sein?

Hannibal: Wir versuchen viel zu entschleunigen. Das gelingt manchmal, ein anderes mal auch nicht.

Max: Bei uns geht es auf der Bühne hauptsächlich ums Musizieren. Man denkt da nicht so sehr: „Was will ich jetzt darstellen?“. Für mich geht es darum, 90 Minuten Musik mit vier anderen Leuten zu machen. Das ist mir eigentlich wichtiger, als das, wie ich wirke. Natürlich haben wir aber unsere Outfits. Das mag ich schon sehr gerne—sich etwas anziehen um in diese Bühnenstimmung zu kommen. Ich ziehe mich auch immer gleich nach dem Konzert wieder um. Ich war dann eben für 90 Minuten ein Achterl.

Dieses Achterl sein, gibt euch das die Möglichkeit, etwas zu sein, dass ihr im normalen Leben so nicht seid?

Max: Ich sag immer: eine Band ist so etwas wie ein Heer. Ich trau mich natürlich auch textlich Dinge zu wagen, weil ich ein Heer hinter mir habe. Ich habe das Gefühl, dass wir alle an einem Strang ziehen. Das ist schon schön.

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Wart ihr zufrieden mit eurem Auftritt beim Amadeus?

Hanibal: Mit dem, was wir gemacht haben, waren wir alle sehr zufrieden. Da sind wir auch alle sehr stolz drauf. Ich war am Morgen danach wirklich gerührt: 30 oder 40 Musiker im Chor bei dem Auftritt, alles wirklich ganz liebe Freunde, die das einstudiert haben, ohne mit uns zu proben. Es hat so unglaublich gut geklappt, und wir haben eine Aufnahme als wahnsinnig schöne Erinnerung. Dass man als österreichische Independent-Band so ein bisserl abgeschaßelt wird, das ist natürlich bitter.

Max: Du siehst, wir sind schon kleine Hippies. Das war einfach eine schöne Zeit mit diesen Menschen. Unsere Message war: Schaut's her, es gibt so viele schöne Sachen, man braucht nicht immer über die österreichische Musikszene sudern.

Das ist auch wieder ein bisschen die Geschichte vom Trojanischen Pferd.

Max: Ja. Wir haben das dann halt auch trotzdem durchgezogen, weil wir das Gefühl hatten, wir müssen einmmal auf einer großen Bühne stehen. Unser Pianist hat gesagt, er will das einmal machen. Wir nennen ihn auch den Quincy Jones of Brigittenau, er steht auf so große Arrangements.

Was hat sich in den letzten zwei Jahren bei euch verändert? Ich schätze, ihr spielt deutlich mehr und recht erfolgreich live?

Hanibal: Wir haben Anfang des Jahres eigentlich sogar versucht, ein bisschen weniger live zu spielen. Einfach weil es 2012 und 2013 insgesamt fast ein bisschen zu viel war. Da geht jeder in der Band natürlich anders damit um. Es wird auch viel darüber geredet, ob man dann mal länger pausiert oder nicht. Am Anfang haben wir überhaupt alle Anfragen gespielt. Mittlerweile versuchen wir es, auch für uns, so zu gestalten, dass wir mögliche Shows auch einfach auslassen. Aber insgesamt spielen wir schon immer noch viel.

Das Gute daran, wenn man verschiedenes Publikum anspricht: Man muss sich nicht rar machen, um den Nimbus zu wahren. Letze Frage: Wer ist eigentlich das WIR bei euch?

Max: Zwei verschiedene Wir. Beim Alaba-Lied sind es wir Österreicher und Österreicherinnen, beim Albumtitel sind es wir fünf. Wir nehmen uns da ja auch nicht aus der Verantwortung. Wir sagen nicht nur dass alle Österreicher schlecht Englisch sprechen, sondern wir können das auch nicht gescheit.

Diskutiert mit Jonas auf Twitter: @L4ndvogt