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Früher war alles besser: Ich war 10 Jahre hintereinander am Frequency

Das diesjährige Frequency war der lebende Beweis dafür, dass früher alles besser war.

Alle Fotos von Christopher Glanzl

Alle Geschichten zum Frequency 2016 findet ihr hier—und bei unseren Kollegen von VICE.

Vergangenes Wochenende war ich das zehnte Mal in Folge auf dem Frequency Festival. Das heißt, ich habe bisher insgesamt etwa ein Monat meines Lebens dort verbracht und bin dem Frequency eine Dekade meines Lebens lang treu geblieben. Ja, ich habe mit dem Frequency die längste Beziehung meines Lebens—traurig aber wahr. (Aber bei zehn Jahren wohl auch nichts, das man ernsthaft gegen mich verwenden kann.)

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Meine ersten beiden Male fand das Festival noch in Salzburg statt, dann wurde es in den St. Pöltner Green Park übersiedelt. Und im Laufe der Zeit hat sich nicht nur die Location verändert, sondern auch das Design, die Musik und die Menschen haben sich verändert. Kurz gesprochen: Alles. Und auch ich. Ich bin in dieser langen Zeit offensichtlich zu einer bequemen, überkritischen Pensionistin geworden, denn das Frequency gibt mir mittlerweile das Gefühl, die eine verrückte, viel zu alte Person auf der Party für junge Menschen zu sein und lässt mich traurig auf die Vergangenheit blicken. Das Frequency ist der lebende Beweis, dass die gute, alte Zeit vorbei ist.

Die Menschen

Eine Erkenntnis, die ich lange nur schwer ertragen konnte, ist, dass das Frequency nicht altert. Das Frequency versucht gar nicht erst, mit seinem Publikum mitzuwachsen, sondern bleibt seit Jahren auf genau ein und derselben Stelle stehen. Denn schließlich kommen diejenigen Menschen, die zu Deichkind und Seeed abgehen wollen, immer wieder nach und wie heißt es so schön? Never change a winning team.

Dementsprechend jung ist auch das Publikum. Für Festivalbesucher, die sich zwar für Indie und tolle Gitarren-Bands wie The Kills interessieren, sich jedoch ein bisschen weniger Zeltfest-Feeling wünschen, gibt es auf dem Frequency kaum mehr Anknüpfungspunkte. Diese Menschen müssen sich an Festivals wie das Primavera in Barcelona oder das Way Out West in Schweden halten. Natürlich könnte man sich auch einfach damit abfinden, dass man aus manchen Dingen hinauswächst. Ein bisschen wehmütig wird man ja wohl noch sein dürfen!!1!

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Die Musik

Die ersten paar Male, als ich auf dem Frequency war, war das Line Up voll von Künstlern, die neu (zumindest für Österreich), richtig groß (zumindest für Österreich) und auf ein typisches FM4-Publikum zugeschnitten waren: The Killers, Arctic Monkeys, Radiohead zum Beispiel. Diese Bands hatte man vorher ziemlich wahrscheinlich noch nicht gesehen, kannte aber jedes Lied auswendig und wenn's sein musste, war man bereit, ein Festivalticket zu kaufen, nur um einmal Mr. Brightside live zu hören.

Heute hingegen sind die Acts zum größten Teil völlig austauschbar geworden. Es scheint, als wäre die Musik heute zweitrangig und die Eskalation, das Komasaufen und die EDM-Remixes von aktuellen Pop-Songs, die von den Ständen der Sponsoren pumpen, wichtiger als der Headliner. Oder man ist sich der Tatsache bewusst geworden, dass es dem Publikum wichtiger ist, auch mit gefühlten dreißig Promille noch bei den Toten Hosen mitgrölen zu können, als rare Acts wie damals zum Beispiel Radiohead zu sehen, die sich die Festivals, auf denen sie spielen, angeblich immer sehr kritisch aussuchen. Ob sie heute noch auf dem Frequency auftreten würden, ist fraglich.

Das Gelände

Genauso wie die Musik ist auch der Rest des Festivals relativ austauschbar und fast nervtötend geworden. Die guten Essensstände (R.I.P. Handbrot) sind verschwunden, immer mehr Stände von Marken kommen hinzu. Zurück bleibt nur eine Spur der Verwüstung aus Werbematerialien und spätestens am zweiten Tag sind die meisten Besucher nur noch wandelnde Plakatflächen mit gebrandeten Sonnenbrillen, Hüten, Shirts und Flip Flops.

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Nichts dort ist mehr angenehm oder chillig—wahrscheinlich auch kein Wunder, wenn man mit Mainstream-Festivals wie dem Electric Love mithalten muss, mit dem man sich mittlerweile die Zielgruppe teilt und wo die Besucher quasi einer permanenten Reizüberflutung ausgesetzt sind.

Der Spirit

Früher war das Frequency-Design nett und einladend. Hier ein paar Sonnenblumen, da eine fliegende Kuh. Heute ist das Design des Frequency irgendwas mit Space, die Farben sind braun, dunkel, die Space Stage sieht aus wie ein großer Felshaufen. OK, das Konzertgelände kann einen schon ein bisschen an eine Mondlandschaft erinnern, in der langfristig keine Überlebenschance für intelligentes Leben besteht. Davon abgesehen wirkt das Ganze einfach nur völlig random.

Auch abseits vom Design des Ganzen, das den meisten Besuchern wohl ziemlich egal sein wird, ist für mich mit den Sonnenblumen und Astronauten-Kühen auch ein bisschen der positive Festival-Spirit verloren gegangen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass früher viel mehr Herzblut ins Frequency gesteckt wurde. Heute geht es nur noch darum, das Partyvolk abzuspeisen und für die Masse der Jugendlichen interessant zu bleiben. Dass es auch noch ein potenziell anderes Festivalpublikum in Österreich gibt, das das Frequency so, wie es früher war, sehr vermisst, wird offenbar vergessen.

Fazit

Ja, Dinge ändern sich und aus Sicht des Frequency ist es in Wahrheit nur verständlich, dass man hier lieber mit dem Strom schwimmt, als zu versuchen, in einem kleinen Land wie Österreich ein kommerziell erfolgreiches Indie-Festival zu etablieren. Dennoch muss man sagen, dass mit dem Frequency die letzte Bastion des Guten in Bezug auf die österreichische Festivallandschaft langsam zu fallen scheint. Das ist mir seit vergangenem Wochenende unweigerlich klar geworden. Das Frequency ist tot, lang lebe das Frequency.

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