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10 Dinge, die ich an der Grazer Clubkultur hasse

Gestern haben wir euch gesagt, was man an Graz bei Nacht lieben muss. Heute tun wir das Gegenteil.

Alle Fotos: Johanna Lamprecht

Andi Schmerz-Grenze ist (unter seinem richtigen Namen) seit Jahren DJ und Veranstalter in Graz. Und grundsätzlich sehr glücklich damit. Wir haben ihn und einen seiner Bekannten trotzdem mal gebeten den Advocatus Diaboli zu spielen und aufzuschreiben, was sie an der dortigen Clubkultur so richtig ankotzt. So wie wir das auch schon für Wien getan haben. Hier gibt es den Hippie-Teil von gestern, unten den blanken Hass.

1. GRAZ HAT KEINEN „RICHTIGEN" CLUB

Seit das Niesenberger seine Pforten geschlossen hat, fehlt es Graz an einem „richtigen" Club. Mit den beiden Extremen in Graz (den Winzlingen Kombüse/Parkhouses auf der einen und Dom im Berg und Postgarage mit bis zu 1000 Leuten auf der anderen) fehlt es in Graz zum einen an einer Midsize-Location für 200-300 Leute. Der 2nd Floor der Postgarage bietet nur eine Notlösung. Außerdem gibt es in Graz keinen selbstbespielten Club, auf dessen Programm man sich verlassen kann. Die Postgarage feiert regelmäßige Trashparties, die zu einer wirtschaftlich stabilen Lage führen, das PPC hat—ausgenommen Konzerte—wenig an Qualität zu bieten. Es gibt also eigentlich nur Veranstaltungslocations, aber keine wirklichen Clubs mit einheitlicher Linie. Alles ist sehr vom Veranstalter des Abends abhängig, und das ist gerade für das „normale" Publikum schwer durchschaubar.

2. DIE GRAZER ÖFFIS SCHLAFEN NACHTS

Durch die schlechte Infrastruktur der Öffis am Wochenende in der Nacht, darf sich ein Club nicht außerhalb der Innenstadtlage befinden. In Graz möchte man zu Fuß fortgehen. Man ist es ohnehin auch nicht gewöhnt, länger als fünf Minuten zu Fuß zu gehen. Das macht es für einige tolle potentielle Locations außerhalb des Zentrums schwer. Dass das Feiern dort wahrscheinlich ein wenig stressfreier in puncto Anrainer wäre, macht das Ganze noch bitterer. Aber der Grazer an sich ist leider faul.

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3. ES GIBT KAUM SZENE-MEDIEN

In Graz fehlt es an Medien, die sich der Clubkultur vor Ort annehmen. Die meisten Blogs, Zeitschriften etc. sitzen in Wien und lassen dementsprechend Graz gerne links liegen. Aber das Loch wird leider nicht genug durch Grazer gefüllt. Hier gibt es kaum Medien, die sich der Szene annehmen. Und damit auch sehr wenig Raum, um Parties artgerecht zu kommunizieren.

4. DAS SPRINGFESTIVAL WAR UMSTRITTEN, DIE SCHLAMMSCHLACHT WAR ABER AUCH NICHT BESSER

Eines „unserer" beiden großen Festivals, das Springfestival, ist nicht mehr. Einmal im Jahr war Graz „the place to be" bei Freunden der elektronischen Musik aus Österreich. Vor allem der anfängliche Charme der Innenstadtlage und die guten Locations haben zu einem tollen Festival beigetragen. Es gibt da natürlich viele andere Meinungen, und das Spring hat sich viele Feinde gemacht. Aber die Schlammschlacht um das Erbe ,Springfestival' hat der Szene in Graz geschadet. Nachdem beide Anwärter auf Teufel komm raus, zwei kläglich gescheiterte Veranstaltungen 2014 lieferten, rechnet man sich kaum hohe Chancen für ein gleichwertiges Festivals aus. Schade für Graz.

5. DAS GRAZER PUBLIKUM INTERESSIERT SICH NICHT GENUG FÜR MUSIK

Das Grazer Publikum zeichnet sich leider durch die fehlende Leidenschaft zur Musik aus. Richtig gute Bookings werden für irgendeine Univiertelparty ignoriert. Die Grazer lieben House und Techno zwar, aber wenige beschäftigen sich näher mit dem Thema. Richtig große Acts funktionieren gut, kleine mit wenig Risiko auch. Aber mit den mittelgroßen Qualitybookings wird keine Party zur sicheren Nummer, damit kann man richtig einfahren. Leicht verstörend wirkt es, wenn man in der Postgarage bei einem Drumcode- oder R.Schulz-ähnlichen Act steht und das Publikum leider sehr verwechselbar mit dem Bollwerk wird.

6. GRAZ IST EINE VERBOTSSTADT

„Heuer geht es um die Sauberkeit der Stadt. Und 2015 darum, wie wir Graz leiser machen." - Bürgermeister S. Nagl

Zwischen Clubkultur/Nachtleben und Rathaus/Politik herrscht Eiszeit. Nach der Schließung des Niesenbergers und der Kurzzeitschließung der Kombüse, geht es um Sperrstundenpläne im Univiertel. Schon eine einzelne Anrainerbeschwerde versetzt einen Clubbetreiber in Angst und Schrecken. Bestehende Clubs werden zugesperrt, für neue werden die Genehmigungen und Behörden zum Stolperstein. Die Hoffnung stirbt aber bekanntlich zuletzt, aber manchmal denkt man sich schon: Fuck you, Verbotsstadt.

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7. KOMMERZIELLE MÜLL-BOOKINGS VERDRÄNGEN DIE UNDERGROUND-VERANSTALTUNGEN

In letzter Zeit vermischt sich das Publikum von Großraumdiskotheken immer mehr mit dem der Postgarage und dem PPC. Gewisse Veranstaltungen und Veranstalter tragen dafür Verantwortung, dass es in Graz immer weiter in den Kommerz geht. So werden in Graz Müllbookings viel zu sehr geschätzt. Das schadet vor allem den Underground-Veranstaltungen. Ambitionen, beides in eine andere Richtung zu verbinden, sind bisher gescheitert. Die Versuche, gute Acts ins Kottulinsky (ehemals Univiertel) zu stellen, endeten in relativ reglosen Partys. Das Stammpublikum wusste nicht so recht, was man mit der Musik anfangen sollte. Und auch bei den Musikliebhabern wollte bei der Publikumsmischung kaum Stimmung machen.

8. PARTYS IN GRAZ ENDEN ZU FRÜH

Es mangelt an der Kondition der Grazer Ausgänger. Spät kommen, früh gehen lautet das Motto. Man würde sich fittere Kollegen wünschen. Viele gute Partys enden viel zu früh.

Foto: Ma Dra

9. GRAZ IST VÖLLIG VON SEINEN STUDENTEN ABHÄNGIG

Das Grazer Nachtleben ist bei seinen 270.000 Einwohnern vor allem vom Studentenrhythmus abhängig. Graz erlebt ein Sommerloch, das durch die fehlenden Studenten zum Quasi-Stillstand der Stadt führt. Einige Sommerlocations gibt es, viele wunderschöne Plätz für Open Airs würde es ja auch geben. Aber das Publikum fehlt.

10. WO IST DIE GUTE LAUNE?

Wahrscheinlich ein österreichisches Problem, aber man könnte auch gerne ein wenig ausgelassener feiern. Aber liebes Graz, das wird schon! Wir lieben dich und sind gerne hier.

Graz, auch wir mögen dich. Nimm es uns nicht übel. Wir werden in Zukunft versuchen, dich mehr in unsere Berichterstattung einzubeziehen. Auch wenn wir in Wien sitzen.